Hohenlohe - Haus und Land im Reich der Burgen und Schlösser

Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

Öhringen und sein Stift, Neuenstein und Waldenburg sind drei markante Orte, in denen sich Geschichte verdichtet hat. Ein Aufsatz über Erinnerungsorte in der Region Hohenlohe.

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Autor: Gerhard Taddey

Der Text von Gerhard Taddey erschien unter dem Titel „Hohenlohe - Haus und Land im Reich der Burgen und Schlösser“ in dem „Baden-Württembergische Erinnerungsorte“ anlässlich des 60. Jahrestages von Baden-Württemberg. Darin werden 51 Erinnerungsorte Baden-Württembergs vorgestellt.

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Hinführung: Hohenlohe

Fährt man auf der Autobahn A 6 vom Weinsberger Kreuz in Richtung Nürnberg, sieht man zur Rechten vor dem Hintergrund der Waldenburger Berge zunächst die Türme der Stiftskirche Öhringen und wenige Kilometer weiter den modernen Wasserturm der Stadt Neuenstein. Weiter im Hintergrund grüßen Schloss Waldenburg auf dem weit vorspringenden Bergsporn und der junge Fernsehturm des SWR–Bauwerke, zu deren Füßen sich die von tief in den Muschelkalk eingeschnittenen Flüssen und Bächen zerfurchte Hohenloher Ebene erstreckt.

Öhringen und sein Stift, Neuenstein und Waldenburg sind drei markante Orte, in denen sich Geschichte verdichtet hat. Auf der anderen Seite stehen sie beispielhaft für den in wenigen Jahrzehnten vollzogenen Wandel von einer landwirtschaftlich geprägten zu einer von einer innovativen Industrie entlang von Entwicklungsachsen besiedelten Landschaft.

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Schloss Neuenstein – neu erstanden, wieder bewohnt

Neuenstein spielt eine besondere Rolle in diesem Raum. Das Schloss, das das Städtchen dominiert, war zunächst eine bescheidene, auf einer Felsrippe im sumpfigen Land zwischen zwei Bächen errichtete Wasserburg der namengebenden Herren von Neuenstein. Ihre Buckelquader im Mauerwerk an einzelnen Stellen verweisen auf die Entstehung in staufischer Zeit. Im 16. Jahrhundert wurde sie nach einer Landesteilung, von der noch zu reden sein wird, zu einer Residenz im Stil der Renaissance umgebaut und für knapp 150 Jahre namengebende Residenz einer der zahlreichen Linien des Hauses Hohenlohe. Die schon in Öhringen in dem im Schatten des uralten Stifts als Witwensitz erbauten Schloss wohnenden Erben des letzten Grafen von Hohenlohe-Neuenstein-Neuenstein verlegten ihre Residenz nach dem Dreißigjährigen Krieg in den bedeutenderen Nachbarort.

Neuenstein versank ohne die Residenzfunktion, nahezu ohne Beamte und gräfliche Diener, fast vollständig in der Bedeutungslosigkeit. Das Schloss wurde zunächst als Waisenhaus, Arbeitshaus, Zuchthaus und Spital genutzt. Erst als der in Oberschlesien und Berlin lebende Fürst Christian Kraft zu Hohenlohe-Oehringen das zuletzt zum Altersheim umfunktionierte und heruntergekommene Schloss in Anlehnung an seine frühere Funktion zu einem zentralen Museum für die Geschichte von Haus und Land und zu einem ideellen Zentrum für Familientreffen ausbauen wollte, erwachte das alte Gemäuer zu neuem Leben. Die letzten, vom Heimatdichter Schrader als „Schlossmummelich“ bezeichneten Heimbewohner, starben um 1900.

Der Selfmade-Architekt Bodo Ebhardt, durch den im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. durchgeführten Wiederaufbau der Hochkönigsburg in den Vogesen als Fachmann für den Burgenbau anerkannt, machte sich 1907 an die Restaurierung, die unter seinen Händen mit zunächst fast unbeschränkt scheinenden Mitteln weitgehend zu einem letztlich unvollendeten Neubau wurde. Die von ihm nach dem an anderen Orten realisierten Vorbild konstruierten markanten Renaissancegiebel und die Erhöhung des Schlosses um ein Geschoss vermitteln heute das Bild einer durchaus prächtigen Residenz, zudem wieder bewohnt von einer fürstlichen Familie.

Quelle für die Identität Hohenlohes

Aber nicht nur in der Wiederaufnahme dieser Tradition liegt die moderne Bedeutung des Schlosses. Nach dem Krieg verkaufte das Haus Hohenlohe eine große Zahl der von ihnen besessenen, aber nicht benutzten Schlösser, die vorwiegend zentrale Funktionen für die kommunalen Verwaltungen erhielten: die heutigen Souveräne, die gewählten Gemeinderäte und die Bürgermeister residieren etwa in Öhringen, Ingelfingen oder Schrozberg jeweils im ehemaligen Schloss der vormaligen Landesherren. Vor der Übergabe an die neuen Eigentümer wurden alle für die fürstliche Familie, das Gesamthaus oder die Geschichte von Haus und Land wesentlichen Gegenstände herausgenommen und als Grundstock für ein neues Museum nach Neuenstein verbracht, wo schon mit dem Kirchberger Kunst- und Raritätenkabinett ein international herausragendes Ensemble seinen Platz gefunden hatte.

Eine Folge der Kriegszerstörungen, von denen etwa Waldenburg nicht verschont blieb, und der Aufgabe der alten Residenzen war die Konzentration der schriftlichen Überlieferung des Regentenhauses und seiner Verwaltungen in den weitläufigen Obergeschossen des Schlosses Neuenstein. Nachdem das Haus diesen Schatz vertraglich unter Eigentumsvorbehalt in die Obhut des Landes gegeben hatte, wurde er in den letzten Jahrzehnten weitgehend fachlich erschlossen. Die Findmittel stehen heute in beeindruckender Fülle nicht nur an Ort und Stelle, sondern über das Internet weltweit der Forschung zur Verfügung. Manche neue Erkenntnis konnte aus der sehr dichten Überlieferungsfülle gewonnen werden, von den Anfängen im frühen Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert. Die gewachsene Identität Hohenlohes findet hier ihre Wurzeln. Wer eine Quelle zu geschichtlichen Aussagen über Hohenlohe sucht, der wird hier – und fast nur hier – fündig.

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Hohenlohe – Haus und Land

Unweit von Neuenstein quert der obergermanische Limes (heute Weltkulturerbe), die Grenze des Römischen Reiches, die Hohenloher Ebene. Öhringen verdankt seine Entstehung wohl auch den beiden dort angelegten Kastellen der Römer. Östlich des Limes lagen bis ins hohe Mittelalter dichte Wälder, die erst nach und nach durch Rodung erschlossen wurden und ein anderes, kleinteiligeres Siedlungsbild zeigen als das altbesiedelte Land westlich der Römergrenze. Der hohenlohische Beamte, Hofrat und Hausarchivar Christian Ernst Hansselmann (1699–1775) steht am Beginn der wissenschaftlichen Limesforschung. Er entdeckte die Öhringer Kastelle und beschrieb den Limesverlauf und seine Gradlinigkeit zwischen Mainhardt und Jagsthausen.

Die Gründung des Chorherrenstifts Öhringen im Bereich der untergegangenen Römerkastelle durch einen Regensburger Bischof auf dem Besitz der Familie seiner Mutter im 11. Jahrhundert steht am Beginn der dokumentierten und damit nachvollziehbaren Entwicklung des Raumes. Es war damals nicht abzusehen, welche Bedeutung diese Gründung für die Entstehung Hohenlohes einmal haben sollte.
 

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Wechselnde Herrschaftssitze

1178 wird eine Burg Hohenloch oder Holach im Besitz einer edelfreien Familie erwähnt, die sich auch nach Weikersheim und – vermutlich – nach Pfitzingen nannte. Aus dem ursprünglichen nur den jeweiligen Wohnsitz bezeichnenden Namen wurde ein Familienname, sehr viel später der Name des beherrschten Gebietes. Die namengebende Burg der Hohenlohe wurde im Städtekrieg 1371 zerstört, die Ruine wenige Jahre später an die Burggrafen von Nürnberg verkauft. Sie spielte keine Rolle mehr, wohl aber das Stift in Öhringen.

Zunächst versuchten die Hohenlohe nach dem Erwerb der Langenburg als Erben der ausgestorbenen Herren von Langenberg hier ein Herrschaftszentrum, wohl ein Kastell nach italienischem Vorbild, aufzubauen, doch als sie 1250 die Schutzvogtei über das regensburgische Lehen Öhringen mitsamt der Waldenburg gewannen, verlagerten sie ihren Schwerpunkt nach Westen an den Fuß der Waldenburger Berge. Wohl nicht durch Gewalt kauften sie dem Niederadel seine Burgen ab oder machten sie zu Lehen und weiteten so ihren Einfluss ohne große Konkurrenz aus. 1315 werden sie als Besitzer der Burg Neuenstein genannt, deren Besitzer, wohl auch Erbauer sich nach Neufels zurückzogen. Kaiser Karl IV. erlaubte den Hohenlohe 1351, auf ihrem „Eigen und Gute“ zu Neuenstein eine ummauerte Stadt mit Stock, Pranger, Galgen und Markt zu errichten.

Die Bürger sollten die gleichen Rechte genießen wie die zu Mainz oder Frankfurt. Die neue Stadt stand aber immer im Schatten des benachbarten Öhringen. Von den Herren von Neuenstein übernahm die Stadt das von Kaiser Maximilian verliehene Wappen. Ihr roter Spitzhammer ziert noch heute das Rathaus.

Kennzeichnend für die frühe Phase der Herrschaftsbildung war das Prinzip der Realteilung zwischen den nicht in den geistlichen Stand eingetretenen männlichen Nachkommen. Auf der einen Seite bedeutete das Verlust an Macht und Einfluss für die Teile, auf der anderen Seite entstand eine Fülle von Kleinstherrschaften in gegenseitiger Konkurrenz, Keimzellen für die spätere kulturelle Vielfalt. Verluste traten auch durch Schenkungen an geistliche Institutionen wie den Deutschen Orden ein. Und doch: Die Schenkung der Stadt und des Gebiets um Mergentheim an den Deutschen Orden war die Voraussetzung dafür, dass nach dem Verlust Ostpreußens für den Orden in der Reformationszeit von hier aus seine neue umspannende, überregionale Herrschaft errichtet werden konnte, umgeben vom Land der Hohenlohe.

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Aufstieg in den Reichsgrafenstand

Als Erben der 1450 ausgestorbenen Grafen von Ziegenhain und Nidda in Hessen gelang den Edelfreien von Hohenlohe der Aufstieg in den Reichsgrafenstand. Zwar mussten sie auf das eigentliche Erbe gegen eine stolze Geldabfindung verzichten, aber der Grafentitel verblieb ihnen und wurde seit 1495 für das von ihnen beherrschte Gebiet um Kocher, Jagst und Tauber üblich. Das bis dahin bestehende Konglomerat von Rechten, Lehen, Patronaten, Wildbännen und Zöllen nahm immer mehr Züge eines echten Flächenstaats an. Befördert wurde diese Entwicklung durch den Abschluss eines grundlegenden Erbvertrags, der seit 1511 die Einheit der Grafschaft trotz aller Teilungen sicherte.

Welche Bedeutung die neuen Grafen ihrem Titel zumaßen, wird in der Stiftskirche Öhringen, die damals gerade neu erbaut wurde, sichtbar: Über dem Hochaltar schwebt als Schlussstein im Scheitel des gotischen Gewölbes nicht ein christliches Symbol, wie die Taube als Sinnbild des heiligen Geistes. Nein, als Stein gewordener Anspruch prangt dort das damals geführte kombinierte Wappen Hohenlohe-Ziegenhain-Nidda.

Spät traten die Grafen der Reformation bei und machten aufgrund des Augsburger Religionsfriedens von 1555 aus Hohenlohe ein protestantisches Land mit einem eigenen Katechismus. Die Untertanen hatten den Konfessionswechsel des Landesherrn mitzumachen oder auszuwandern. Das war ein ebenso einschneidendes Ereignis wie die sogenannte Hauptlandesteilung von 1551 bis 1555, nach der sich zwei Linien in Waldenburg und Neuenstein bildeten, die sich nie wieder beerben sollten.

Zwei Hauptlinien: Waldenburg und Neuenstein

Als Folge dieser Teilung wurden die mittelalterlichen Burgen in den beiden Städtchen zu bemerkenswerten Residenzschlössern im Stil der Renaissance umgebaut. Erneute Teilungen führten zum Ausbau der bestehenden Burgen in Weikersheim, Langenburg und Kirchberg. Hohenlohe wurde zum Land der Burgen und Schlösser, denn auch die Angehörigen des in der Reichsritterschaft organisierten Niederadels passten ihre Wohnsitze nach Möglichkeit den vorherrschenden Moden an.

Nach den Heimsuchungen des Dreißigjährigen Krieges traten zwei der Waldenburger Grafen zum Katholizismus zurück, konnten aber den Glauben ihrer Untertanen nicht mehr ändern. Damit waren wachsende Entfremdung und Konflikte vorprogrammiert, die sich 1744 im sogenannten Osterstreit entluden. Damals gab es noch unterschiedliche Kalender bei Protestanten und Katholiken, in denen vor allem der Termin des Osterfestes nicht übereinstimmte.

Die Waldenburger Grafen, die auf der Feier des katholischen Termins durch ihre protestantischen Untertanen bestanden, ließen sich damals in den Reichsfürstenstand erheben, beabsichtigten wohl auch eine Trennung der hohenlohischen Lande. Sie erstrebten eine Grafschaft „Hohenlohe und Waldenburg“. Erst als die Vettern der Linie Neuenstein von Wien aus gedrängt, aber eigentlich gegen ihren Willen nachzogen, wurde 1764 die alte Einheit des Hauses, symbolisiert durch ein neues Landeswappen, formal wiederhergestellt. Man hätte es vorgezogen, wie bisher auf der Grafenbank des Fränkischen Reichskreises der Erste, als nun auf der Fürstenbank der Letzte zu sein. Die Reihenfolge auf den Bänken dieses wichtigen Gremiums wurde nämlich durch das Aufnahmedatum bestimmt.

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Der Untergang des alten Hohenlohe

Die neu gewonnene Eintracht verhinderte trotz aller Widerstände nicht, dass sich die Hohenlohe als Folge der Weisungen Napoleons und des Vertrags über die Bildung des Rheinbunds 1806 den neuen Königen von Württemberg und Bayern – dies auf Dauer für die Herrschaft Schillingsfürst – unterwerfen mussten.

Der württembergische König Friedrich I. machte den ehemaligen gleichberechtigten Reichsständen mehr als deutlich, dass sie nun Untertanen seien. Kein hohenlohisches Wappen durfte weiterhin ein öffentliches Gebäude zieren, sogar die Anbringung des Wappens auf den Kirchenstühlen wurde infrage gestellt. Der Name Hohenlohe verschwand aus der Verwaltungswirklichkeit. Kein Amt, kein Bezirk wurde damit bezeichnet. Aus Hohenlohe wurde aus Stuttgarter Sicht „Württembergisch Franken“. Lediglich als Hohenloher Ebene, als geografischer Begriff, der über Württemberg hinaus verwendet wurde, überlebte die Bezeichnung außerhalb des Familiennamens. Erst nach 1945, zunächst mit der Bezeichnung des Fremdenverkehrsverbandes Hohenlohe-Franken, später, nach der Kreisreform zu Beginn der 1970er-Jahre mit dem Hohenlohekreis, näherte sich die Bezeichnung der ursprünglichen Bedeutung, dem Namen eines Gebietes.

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Die Fürsten zu Hohenlohe heute

Württembergische Beamte, die im 19. Jahrhundert dorthin versetzt wurden, empfanden es durchaus nicht als erstrebenswert, in das „württembergische Sibirien“ geschickt zu werden – anders als heute. Der König hatte es auch abgelehnt, ehemalige fürstliche Diener in seinen Dienst zu übernehmen, zumindest nicht an ihrem bisherigen Wirkungsort. Die Integration in den neuen Staat wurde konsequent durchgeführt. Rückständig waren die Duodezfürstentümer in mancher Hinsicht nicht. So wurde die Pockenschutzimpfung regelmäßig und erfolgreich eingeführt – lange, bevor dies in Württemberg erfolgte. Die großen Notensammlungen aus den Schlössern und die umfangreichen Bibliotheken dokumentieren die kulturellen Interessen.

Noch waren die ehemaligen Landesherrn privilegiert, ihre rechtliche Stellung in den Staatsrechtlichen Deklarationen von 1825 festgelegt. Mit der Aufhebung aller Grundlasten bis 1848 schwand ihr unmittelbarer Einfluss auf ihre ehemaligen Untertanen, mit der Aufhebung der Patronatsrechte und damit der Aufgabe des Rechts auf die Ernennung von Lehrern und Pfarrern die Einwirkung auf Kirchen und Schulen. Die Fürsten blieben privilegierte Untertanen und suchten neue Betätigungsfelder in der Politik, wie der Reichstagsabgeordnete und spätere Vertreter des Kaisers im 1871 eroberten Elsaß-Lothringen, Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg. Sie waren bis 1918 erbliche Mitglieder der Ersten Kammer im württembergischen Landtag und gelegentlich gewählte Mitglieder des Reichstags in Berlin.

Öhringen, die heimliche Hauptstadt Hohenlohes, verwaiste, als die Fürsten vorwiegend auf ihren reichen Ertrag abwerfenden Besitzungen in Oberschlesien lebten. Fürstenbesuche in der Stammheimat wurden zu Festtagen mit umfassender Berichterstattung in der lokalen Presse.

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Die Hohenloher: im Umgang mit den nahen Herren schlitzohrig geworden

Die Herrschaft der Grafen und Fürsten im Alten Reich, das 1806 mit der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. untergegangen war, war für die Untertanen alles in allem erträglich gewesen. Der Bauernkrieg war ohne größere Strafaktionen beendet worden. Bis zur Französischen Revolution gab es keine größeren Unruhen, wenn auch vor allem die Kriegslasten bei Truppendurchzügen und Einquartierungen häufig drückend waren. D

ie Prachtentfaltung der Herrschaft hielt sich in Maßen. Durch Verträge mit den Untertanen, den sogenannten Dienstgeldassekurationen, war schon 1605 einseitigen Steuererhebungen durch die Herrschaft ein Riegel vorgeschoben. Das war wohl auch der Grund dafür, dass es in Hohenlohe keine Untertanenvertretung, kein Parlament gab.

Hohenlohe war ein reines Agrarland, abgesehen von Salzquellen im Kochertal und von einigen Steinbrüchen ohne abbauwürdige Bodenschätze. Die Höfe der Untertanen waren dem Landesherrn steuerpflichtig als Erbzinsgüter. Es galt das Anerbenrecht, die Erbfolge des jeweils ältesten Sohnes. Durch die Unteilbarkeit der Höfe blieben sie ertragsstark und einfach zu verwalten. Als der Kupferzeller Pfarrer Mayer die Gipsdüngung zur Verbesserung des Bodens und die Stallfütterung zur Intensivierung der Milch- und Fleischproduktion propagierte, führten die Ergebnisse dieser weitsichtigen Maßnahmen zu deutlichen Ertragssteigerungen und zur Anhebung des Wohlstandes.

Auch nach der Mediatisierung verstanden sich die Hohenloher - von der Sprache her Franken, keine Schwaben - nicht als Württemberger und pflegten die gegen Stuttgart gerichteten Ressentiments. Geradezu sprichwörtlich ist ihre „Schlitzöhrigkeit“, ihre Unverbindlichkeit, ihre Neigung zur Vermeidung einer verbindlichen direkten Aussage.

Die „Völkerwanderung“ als Folge des Zweiten Weltkrieges hat natürlich auch die Einwohnerschaft in Hohenlohe tief verändert. In dem fast rein protestantischen Ländle hat sich ein beträchtlicher katholischer Bevölkerungsanteil etabliert, und auch der Anteil an „Gastarbeitern“, die mehr und mehr Heimatrechte erwerben, ist nicht zu übersehen.

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Abkehr von der reinen Agrarstruktur...

Die, abgesehen von einigen Durchgangsstraßen, verkehrsferne Lage Hohenlohes, der Mangel an Bodenschätzen und die intakte Agrarstruktur verhinderten trotz des Eisenbahnbaus die frühe Industrialisierung. Zwar hatte schon der letzte Graf von Neuenstein, Wolfgang Julius, um 1670 ein Eisenwerk und eine Papierfabrik in Ernsbach im Kochertal errichtet. Erste Anfänge einer echten Industrie werden aber erst um 1875 mit der Fabrikation von landwirtschaftlichen Maschinen und Hochrädern sichtbar, abgelöst wenige Jahre später durch die noch heute bestehende Schulmöbelproduktion in Öhringen.

Auf eine 140-jährige Tradition kann auch die Herstellung von „Blechemballagen“, heute vor allem Konservendosen und Bierfässer, in der Firma Huber zurückblicken. Im Kochertal entstand bei Weißbach in einer Kocherschleife die aus einer seit 1891 florierenden Textilfabrik entwickelte Firma Hornschuch, lange Zeit das bedeutendste Unternehmen in Hohenlohe mit zeitweilig über 2000 Beschäftigten am Ort. Weltweit bekannte Kunststoffprodukte wie „skai“ und die selbstklebende Folie der Marke „d-c-fix“ wurden hier erdacht und hergestellt.

Dieses Bild weniger Industriebetriebe hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vollständig verändert. Ein Blick von Waldenburg, dem „Balkon“ Hohenlohes, über die Hohenloher Ebene verbindet sich mit dem unablässigen Brummen des Verkehrs auf der A 6 in Richtung Weinsberger Kreuz nach Westen und Nürnberg nach Osten mit seiner nicht enden wollenden Kette von Lastwagen vor allem aus ost- und südosteuropäischen Ländern. Aber man sieht auch die verschiedenen Industrieparks bis Künzelsau, Öhringen oder Langenburg. Vor allem der Ventilatorenbau dominiert mit zahlreichen Betrieben. Man sieht die großen Handelszentren von Würth und Berner, die sich aus dem Nichts zu weltumspannenden Unternehmen entwickelt haben.

... hin zum modernen Industriestandort

Die Adolph-Würth-Gruppe in Künzelsau (Montage- und Befestigungsmaterial) etwa hat sich zu einem Weltunternehmen mit 400 Firmen in 80 Ländern und 62000 Beschäftigten entwickelt. Auch „ebm papst“ (Elektromotoren und Ventilatoren) ist zu nennen, mit rund 10 000 Beschäftigten, davon allein 2600 im Stammsitz in Mulfingen. Nicht unbeträchtlich war die Zahl der hohenlohischen Firmen, die 2011 am ersten Treffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall teilgenommen haben.

Natürlich war auch Neuenstein eingebunden in diese Entwicklung. Zwar prägt noch immer das Schloss das Ortsbild, doch der Getriebehersteller Getrag machte, wie früher das VW-Zweigwerk, aus dem kleinen Städtchen mit seinen 6200 Einwohnern einen Einpendlerort. Viele Landwirte haben ihre Selbstständigkeit aufgegeben oder pflegen die Landwirtschaft nur noch als Nebenerwerb.

Eine Sparte der Landwirtschaft ist vor allem den „Weinzähnen“ gut vertraut. Der Weinbau in Hohenlohe im Kochertal und am Gebirgsrand um Eschelbach, Heuholz oder Adolzfurt, ganz gleich, ob genossenschaftlich in Großkellereien organisiert, ob fürstlich mit dem „Verrenberger Verrenberg“, ob privat mit vielen bekannten Lagen und Kreszenzen, spielt wirtschaftlich eine nicht unbedeutende Rolle.

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Hohenlohe heute

Auch der Tourismus hat inzwischen festen Fuß in der abwechslungsreichen Landschaft gefasst, in der sich Schloss an Schloss reiht, inhaltsreiche Museen, archäologische Fundstätten wie die Kirchenfamilie in Unterregenbach oder die Anhäuser Mauer. Sehenswerte Orte sind aber auch die Stätten der gehobenen Gastronomie und die Besenwirtschaften in den Weinorten. Noch dominieren überdimensionale Windkraftanlagen nur an einzelnen exponierten Standorten das Bild.

Und die Nachfahren der ehemaligen Landesherren? Sie werden von der Bevölkerung geachtet und geschätzt und engagieren sich in der lokalen Politik. Der Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, um ein Beispiel zu nennen, schied 2011 nach 40-jähriger Mitgliedschaft und langjähriger Tätigkeit als Vertreter des Landrats aus dem Landkreistag des Hohenlohekreises aus. Viele Jahre war er stellvertretender Bürgermeister seines Wohnorts Neuenstein, denn das Schloss ist nicht nur ein kultureller Mittelpunkt, sondern auch Wohnsitz des Fürsten.

Wie sich die Hohenloher selbst verstehen, konnte man vor einigen Jahren der lokalen Presse entnehmen. Bei einer Veranstaltung in Waldenburg äußerte ein evangelischer Prälat unter dem Beifall seiner Zuhörer sinngemäß: Württemberger zu sein, ist Schicksal; Hohenloher zu sein, ist Gnade. In der täglichen Realität sind auch die Hohenloher zwar nicht unbedingt Württemberger geworden, aber gute Baden-Württemberger.

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Überblick: Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

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