Freiburg - Das Herz Vorderösterreichs - Von Habsburg zu Baden

Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

Freiburg war von seiner Geschichte, seinen Baudenkmälern, der Breitenwirkung und der Intensität der historischen Forschung das Herz des Erinnerungsortes Vorderösterreich.

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Autor: Franz Quarthal

Der Text von Franz Quarthal erschien unter dem Titel „Freiburg - das Herz Vorderösterreichs“ in dem „Baden-Württembergische Erinnerungsorte“ anlässlich des 60. Jahrestages von Baden-Württemberg. Darin werden 51 Erinnerungsorte Baden-Württembergs vorgestellt.

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Hinführung: Der Erinnerungsort Freiburg

Das Große Landeswappen Baden-Württembergs zeigt im Schildhaupt die Wappen der sechs wichtigsten südwestdeutschen Vorgängerterritorien. Heraldisch ganz links steht der rot-weiß-rote Bindenschild, der daran erinnert, dass große Teile des heutigen Bundeslandes einmal zum Hause Habsburg gehört haben.

In der historisch polyzentrischen Landschaft Südwestdeutschlands gibt es vielfältige Identitäten, die ihre Bestätigung in der jeweils eigenen Geschichte finden. Vorderösterreich mit seiner Geschichte ist ein Erinnerungsort für den Breisgau, den südlichen Schwarzwald, für große Teile Oberschwabens und für die Landschaften am oberen Neckar und an der oberen Donau. In Oberschwaben war Vorderösterreich ein Erinnerungsort, der im 19. Jahrhundert in kämpferischer Weise das Gefühl einer Kolonialisierung durch das evangelische Altwürttemberg abzuwehren half. Im Breisgau und im Schwarzwald stärkte er das Bewusstsein des eigenen Wertes und der Verwurzelung in katholischer Tradition.

Wichtigster Platz für sichtbare Zeugnisse dieses Erinnerungsortes ist die Stadt Freiburg. Von dort ging auch die Renaissance der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Vorderösterreich aus, die intensiv in eine Öffentlichkeit hineinwirkte und die in die politische Auseinandersetzung in den Südweststaat einbezogen wurde. Sie hat wesentlich zur historischen Selbstvergewisserung Baden-Württembergs beigetragen. Freiburg war von seiner Geschichte, seinen Baudenkmälern, der Breitenwirkung und der Intensität der historischen Forschung das Herz des Erinnerungsortes Vorderösterreich.

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Wenig Sichtbares erinnert noch an die Herrschaft Österreichs

Sichtbare Zeugnisse der habsburgischen Herrschaft in Form von Schlössern, Residenzen gibt es kaum. So konnte Vorderösterreich nach dem Übergang an das neu gebildete Großherzogtum Baden vergessen werden, bis es nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Auseinandersetzungen um die Bildung des Südweststaates wiederentdeckt wurde. Zugleich wurde die vorderösterreichische Vergangenheit ein wichtiges Argument im Kontext der Städterivalität Freiburgs mit anderen badischen Zentren wie Karlsruhe und Mannheim.

Vorderösterreich ist die Bezeichnung für die Besitzungen des Hauses Habsburg in Südwestdeutschland. Der Ausgangspunkt des Hauses Habsburg lag im Elsass und in der Nordschweiz, wenig später kamen große Teile Schwabens hinzu.

Seit dem Erwerb der babenbergischen Herzogtümer im heutigen Österreich unter König Rudolf I. verlagerte sich der Schwerpunkt der habsburgischen Herrschaft rasch nach Osten. Vorderösterreich – oder die Lande „enhalb des Arl“ (jenseits des Arlbergs in der Perspektive der Regierungszentrale in Innsbruck), oder „vordere Lande“ oder „Vorlande“ – war kein in sich geschlossenes Territorium. Es reichte mit Günzburg vom heutigen Bayerisch-Schwaben bis ins Elsass (Ensisheim) und in die heutige Schweiz, zunächst bis an den Fuß des Gotthardpasses, später nur noch bis zum Fricktal südlich des Hochrheins. Nach dem erzwungenen Verzicht auf die elsässischen Gebiete im Westfälischen Frieden 1648 wurde Freiburg der eigentliche Mittelpunkt Vorderösterreichs, auch wenn die Stadt geografisch eher am Rande der Vorlande lag.

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Eine Fleckenlandschaft

Alle von der spätmittelalterlichen Territorialgeschichte aus argumentierenden Historiker haben das Steckengebliebene, Unfertige dieses Territorialbesitzes des Hauses Habsburg immer wieder unterstrichen. „Ein unglückliches, vielfältig zerfetztes Gebilde ohne rechten Mittelpunkt“ nannte es der Historiker Gerhard Ritter, als ein „in seinem Ausbau steckengebliebenes Erzeugnis des Strebens nach raumstaatlicher Zusammenfassung“ bezeichnete es Otto Stolz, und ebenso hart urteilte Karl Siegfried Bader: „Eine wirkliche Einheit, einen ‚Staat‘, konnte man das lockere Gebilde, das die oberrheinischen und schwäbischen Herrschaften unter Österreichs Szepter in ihrer Gesamtheit darstellten, nicht nennen.“ Im Unterschied zu anderen südwestdeutschen Territorien fehlen denn auch monumentale Zeugnisse der habsburgischen Herrschaft in Südwestdeutschland, die heute noch an die Rolle Österreichs sinnfällig erinnerten.

Eine Reise ins Vorderösterreichische ist also kein einfaches Unterfangen: Kein eindrucksvolles Schloss, keine Burg ruft unmittelbar die Erinnerung an die habsburgische Herrschaft zurück. In Freiburg zeugt das Haus des Prälatenstandes am Marktplatz nahe beim Münster von der wichtigen Rolle der vorderösterreichischen Landstände, einer Vertretung der herrschaftstragenden Bevölkerungsstände, ein schöner barocker Bau, der heute vom Freiburger erzbischöflichen Ordinariat genutzt wird. Das Haus der schwäbisch-österreichischen Landstände in Ehingen, erst 1769 – fast zu Ende ihrer wirklichen politischen Mitwirkungsmöglichkeit – gekauft, bildet noch heute eine Zierde der Stadt an der Donau. Der Vergleich mit dem dortigen Haus des Ritterkantons Donau der Reichsritterschaft verdeutlicht, dass ein erheblicher Machtunterschied zwischen beiden Institutionen – den Ehinger Landständen und der Reichsritterschaft in Schwaben – bestand.

Kaiserfenster und Wandgemälde

So sind es nur kleine Monumente und Bildnisse, die dem Kundigen ehemals österreichischen Boden anzeigen: die Kaiserfenster im Freiburger Münster, die Wappen am Freiburger Kaufhaus, Wappen und Gedenksteine in den ehemaligen Orten und Städten, die Häufung von Habsburgerporträts in einigen schwäbischen und breisgauischen Adelssitzen und schließlich Gedenktexte auf Grabsteinen habsburgischer Beamter beispielsweise im Freiburger und im Breisacher Münster.

In vielen südwestdeutschen Städten, von denen rund 40 im 18. Jahrhundert habsburgisch waren, finden sich auf historisierenden Wandgemälden Anspielungen auf die habsburgische Geschichte. Das schönste Beispiel ist vielleicht das Rathaus in Waldsee, aber auch die Fassade des Rathauses in Horb ist mit zahlreichen Szenen und Medaillons aus der österreichischen Geschichte der Stadt geschmückt.

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Oberrhein, Schwarzwald und „Schwäbisch-Österreich“ als geografische Schwerpunkte

Geografisch hatte Vorderösterreich drei Schwerpunkte: einen am Oberrhein und im Schwarzwald – ihm kam ursprünglich die Bezeichnung „Vorderösterreich“ zu –, einen in Schwaben – „Schwäbisch-Österreich“ genannt – und einen weiteren in Vorarlberg. Letzteres wurde allerdings 1782 von Vorderösterreich getrennt und dem tirolischen Regierungsbezirk untergeordnet. Die Anwesenheit des Fürsten (praesentia principis) war für die volle Realisierung des Landes ein nahezu unabdingbares Erfordernis. Somit erscheint das Fehlen des österreichischen Hofes als das wesentliche strukturelle Defizit bei der vorderösterreichischen Territorialbildung.

Statistiken über Größe, Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft Vorderösterreichs stammen alle aus dem vorstatistischen Zeitalter und sind deswegen mit Vorsicht zu interpretieren. Vorderösterreich wurde vor 1780 (mit Einschluss Vorarlbergs) auf rund 160 Quadratmeilen (ca. 8535 km²) berechnet, gegenüber dem Herzogtum Württemberg mit 150 Quadratmeilen (ca. 8000 km²), wobei Württemberg 650 000 Einwohner, Vorderösterreich aber nur etwas über 400 000 Einwohner hatte.

Im 13. und 14. Jahrhundert war Vorderösterreich ein Kernland der Habsburger, im 15. Jahrhundert blühte es mehrfach unter Regenten wie Herzog Friedrich IV. und Albrecht VI. auf, unter König und Kaiser Maximilian spielte es über den geistigen Einfluss der elsässisch-oberrheinischen Humanisten eine bedeutende Rolle. Im 16. Jahrhundert rückte es stärker an den Rand der Interessen des Herrscherhauses. 1648, im Westfälischen Frieden, gingen die elsässischen Besitzungen des Erzhauses und der alte Regierungssitz in Ensisheim verloren. Nach 1648 wurde Freiburg die neue „Hauptstadt“ des verkleinerten Vorderösterreich. Im 18. Jahrhundert erhoben sich in Wien Stimmen, die aus finanziellen und strategischen Gründen die Vorlande sogar ganz aufgeben wollten.

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Die herausragende Stellung Freiburgs

Freiburg hat unter den ehemaligen Besitzungen des Hauses Habsburg eine herausragende Stellung. Trotzdem ist die Geschichtstradition Freiburgs gespalten: Auf der einen Seite ist die Breisgaumetropole der Mittelpunkt und das Herz vorderösterreichischer Geschichtstradition, auf der anderen Seite wurde die Stadt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Staatspräsidenten Leo Wohleb zum Zentrum der altbadischen Bewegung und betonte damit eine fast konträre Seite ihrer Geschichte. Die Bewertung der vorderösterreichischen Vergangenheit ist in einzelnen Herrschaften der Habsburger unterschiedlich. Zumeist wird sie als glückliche Zeit empfunden und beschrieben, so in der Freiburger Stadtgeschichte von Josef Bader im 19. Jahrhundert wie auch in der jüngsten mehrbändigen Freiburger Stadtgeschichte. Die neueste Konstanzer Stadtgeschichte aber spricht im Unterschied dazu von der habsburgischen Periode als von den „dunklen Jahrhunderten“.

In Freiburg lebt die vorderösterreichische Vergangenheit zwar nicht in üppiger, barocker Pracht wie in anderen habsburgischen Ländern, aber doch sichtbar weiter. Es gibt ein Gebäude der ehemaligen vorderösterreichischen Regierung, den Basler Hof, der seit 1759 Sitz der vorderösterreichischen Regierung war. Nicht von ungefähr ist der Basler Hof auch heute der Sitz des Regierungspräsidenten von Freiburg.

Freiburg war über zweieinhalb Jahrhunderte der Mittelpunkt der vorderösterreichischen Landstände. Im Besonderen erinnert das Haus des Prälatenstandes am Freiburger Marktplatz nahe beim Münster an die dortigen Landstände. Die Stadthöfe der Klöster St. Peter und St. Blasien dienten zwar primär den Zwecken der beiden Schwarzwaldabteien, doch wurde in ihnen auch ständische Politik gemacht, besonders, nachdem nach dem Dreißigjährigen Krieg St. Blasien die Funktion eines Präsidenten der vorderösterreichischen Ständeversammlung übernommen hatte. Unter den Adelspalästen in der Stadt ragen die der Sickingen und der Kageneck hervor, beides mächtige Glieder des vorderösterreichischen Adelsstandes.

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Die Universität und andere Zeitzeugen

Die Freiburger Universität ist eine Gründung des habsburgischen Erzherzogs Albrecht VI. Sie war nach Wien die zweite Universität im habsburgischen Herrschaftsgebiet. Ihre Gründung festigte die Stellung Freiburgs als Hauptort im Breisgau und am Oberrhein. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts übernahmen die Jesuiten die Philosophische Fakultät. Ihr Gymnasium und die Alte Universität prägen bis heute das Stadtbild.

Das Kaufhaus am Freiburger Münsterplatz, einer der schönsten spätgotischen Bauten der Stadt, zieren österreichische Wappen aus der Zeit Kaiser Karls V. und König Ferdinands I. An zentraler Stelle sichtbar, bilden die Wappen eine Dokumentation des habsburgischen Herrschaftsanspruchs in Südwestdeutschland, wie er sonst so nicht zu finden ist. Im Chor des Freiburger Münsters setzen die mehr als fünf Meter hohen, von Kaiser Maximilian gestifteten Kaiserfenster für Kaiser Maximilian I. und Karl V. einen besonderen Höhepunkt. Sie sind – heute ins Augustinermuseum versetzt – die monumentalsten bildlichen Zeugnisse habsburgischer Vergangenheit in den Vorlanden.

Die Decke des alten Freiburger Rathauses ziert ein den Raum beherrschendes österreichisches Doppeladlerwappen, wie es sonst nur in der Stadt Burgau und als Zweiteinbau im Museum der Stadt Günzburg erhalten ist. Das Relief am Martinstor zum Gedenken an die 1796 unter dem Stadtrat Caluri gegen die Franzosen gefallenen Freiburger Freiwilligen erinnert an die dramatische Kriegsgeschichte des österreichischen Freiburg. Die Münzsammlung im Stadtmuseum, das Archiv des Dritten Standes der vorderösterreichischen Stände im Stadtarchiv, das Wentzingerhaus, das Greifenegg-Schlösschen – es gibt keine Stadt, in der die österreichische Vergangenheit optisch so präsent wäre wie in Freiburg.

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Das politische Gewicht Freiburgs

Unter den vorderösterreichischen Orten war Freiburg aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichts und der Bedeutung seiner patrizischen Oberschicht sicher die bedeutendste Stadt. Im 13. und 14. Jahrhundert war die Stadt ein Zentrum des Schwarzwälder Silberhandels, der allerdings im 15. Jahrhundert zum Erliegen kam. Der breisgauische Landadel sah schon früh in der Stadt seinen Mittelpunkt. Bereits für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts lässt sich hier die erste Adelsgesellschaft nachweisen.

Wie Straßburg für den oberrheinischen Adel, wurde Freiburg zur Metropole für den Adel breisgauischen „Gestades“. Das Gewicht der Stadt wuchs in dem Maße, in dem die Habsburger ihre Besitzungen im Bereich der heutigen Schweiz verloren, wobei die Schlacht von Sempach (1386), die Ächtung Herzog Friedrichs IV. auf dem Konstanzer Konzil (1415) und der Friede von Basel (1499) wesentliche Eckpunkte markierten. Mit der Entwicklung des Ständewesens in Vorderösterreich wurde Freiburg zum Haupt des aus Bürger und Bauern bestehenden Dritten Standes, der nach dem Westfälischen Frieden (1648) 16 Städte sowie elf Herrschaften umfasste.

Die Reformation scheitert

Die Reformation fand auch in Freiburg Anhänger. 1521 war hier besonders in universitären Kreisen das Interesse an reformatorischen Ideen geweckt worden. Auch Adel und Teile der Bürgerschaft waren in Freiburg von den Lehren Luthers eingenommen, bis sich schließlich die altgläubige Partei durchsetzen konnte. Ein Grund für das Scheitern der Reformation in Freiburg war, dass das Wohlergehen der Stadt zu sehr vom Wohlwollen Habsburgs abhing, als dass sich die Stadt ein Abrücken vom österreichischen antireformatorischen Kurs hätte leisten können.

Die Bedeutung Freiburgs für Österreich im 16. Jahrhundert wird auch dadurch unterstrichen, dass Kaiser Ferdinand I. am 29. Dezember 1562 in Freiburg einen Landtag abhielt, der in der Stadt mit großem Gepränge gefeiert wurde. Sein Sohn, Erzherzog Ferdinand II., sollte Freiburg zwei Mal besuchen. Die Besucher der habsburgischen Herrscherfamilie bis ins späte 18. Jahrhundert hinein – Marie Antoinette im Jahre 1770, Kaiser Joseph II. im Jahre 1777 – prägten sich in das historische Gedächtnis der Stadt ein.

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Auf wenig Gegenliebe stieß die Erhebung zur „Hauptstadt“ Vorderösterreichs

Die Zeit, in der Freiburg im engsten Sinn das „Herz Vorderösterreichs“ wurde, begann mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die linksrheinischen Besitzungen des Hauses Habsburg mit dem Regierungssitz Ensisheim waren an Frankreich übergegangen. Vorderösterreich war um die Hälfte verkleinert worden.

In Freiburg wurde nach 1651 eine Regierung und Kammer wie zuvor in Ensisheim installiert, nachdem zuvor Wien über eine Auflösung der eigenen Verwaltungsstruktur der Vorlande nachgedacht hatte. Freiburg als wichtigste Stadt der Vorlande bot sich aber wegen seines politischen Gewichtes an, übte die Stadt doch das Direktorium des Dritten Standes aus und war Tagungsort der ständischen Ausschüsse. Nach dem Wegfall des Elsasses war Freiburg alleiniger Steuereinzugsort („Legstatt“) der vorderösterreichischen Stände und zugleich Tagungsort der Landstände.

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Freiburg als Vorposten des Reiches und französische Festung

Der Entschluss Erzherzog Ferdinand Karls (1646–1662), Freiburg zur Hauptstadt Vorderösterreichs zu machen, stieß in Freiburg nur auf wenig Gegenliebe, da man die Privilegien der Regierungsbehörden mit ihrem Anhang, insbesondere die Befreiung von der städtischen Gerichtsbarkeit, fürchtete und nur wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der katastrophalen wirtschaftlichen Situation der Stadt hatte. Durch den Plan, Freiburg zu einem befestigten Vorposten des Reiches und der Erblande zu machen, mussten die Einwohner mit neuen Einschränkungen, Belastungen und Kriegsgefahren rechnen. In der Tat konnte man in Freiburg schon wenig später Beeinträchtigungen der städtischen Freiheiten durch die vorderösterreichische Regierung bemerken, die allerdings nicht nur aus der größeren Nähe, sondern auch aus dem neuen absolutistischen Staatsverständnis herrührten, das für korporative Freiheiten zunehmend geringeres Verständnis zeigte.

Einen radikalen Einschnitt brachte noch einmal der Holländische Krieg von 1672 bis 1679. Trotz der Befestigungsplanungen von Johann Martin und Elias Gumpp war Freiburg weit entfernt, die ihm zugedachte Rolle eines „haltbaren Platzes“ übernehmen zu können. So gelang es dem französischen Marschall Créqui in einem Handstreich, im November 1677 Freiburg zu erobern. Im Frieden von Nijmegen 1679 musste Freiburg an Frankreich abgetreten werden und wurde erst mit dem Frieden von Rijswijk im Jahre 1697 zurückgegeben. Freiburg war in dieser Periode eine französische Stadt und wurde durch den französischen Festungsbaumeister Vauban zur modernen Festung ausgebaut. Erst neun Monate nach Abschluss des Friedens von Rijkswijk räumten die Franzosen Freiburg, nicht ohne die gesamte bewegliche Ausrüstung mitgeführt zu haben.

Als Festung ungeeignet: Freiburg zwischen Österreich und Frankreich

Gegen Ende des Spanischen Erbfolgekrieges sollte Freiburg nochmals die Problematik seiner Zugehörigkeit zum Hause Österreich zu spüren bekommen. Nach wochenlanger Beschießung im Spätjahr 1713 musste der Verteidiger Freiburgs, Ferdinand von Harsch, Ende Oktober die Stadt und wenig später auch das Schloss den Angreifern übergeben. Der Ratsschreiber Franz Ferdinand von Mayer, später geadelt als Freiherr Mayer von Fahnenberg, rettete die Stadt, die ihre Aufgabe als Festung voll erfüllt hatte, vor der völligen Zerstörung und Plünderung, indem er mit einer weißen Fahne die Übergabebereitschaft anzeigte.

Erst im Frieden von Rastatt von 1714 wurde Freiburg mit Breisach an das Heilige Römische Reich zurückgegeben. Am 18. Januar 1715 zog die französische Besatzung aus Freiburg, einige Tage später aus Breisach, ab. Damit begann eine fast 80-jährige – nur kurz unterbrochene – Friedensperiode für Freiburg, die einen großen Aufschwung der Stadt ermöglichte. Das barocke Freiburg, wie wir es heute kennen und soweit es nicht im Zweiten Weltkrieg untergegangen ist, entstand.

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Zerstörung und neue Blüte

Im Rahmen des Österreichischen Erbfolgekrieges wurde das von seiner Lage als Festung völlig ungeeignete Freiburg nochmals belagert und eingenommen. Der Feldzug Preußens im Jahre 1744 zwang Österreich erneut, die Rheingrenze preiszugeben. Frankreich besetzte wiederum Breisach und belagerte Freiburg, das sich nach mehrwöchiger Beschießung, der zeitweise der französische König Ludwig XV. beiwohnte und bei der die Schlossbefestigung und ein Drittel aller Freiburger Häuser zerstört wurden, am 25. November 1744 ergeben musste. Bis zum 30. April 1745 demolierten die Franzosen die gesamten Festungswerke, so dass Freiburg nunmehr eine offene Stadt war, worin das Hauptziel des französischen Angriffs gelegen hatte.

Das renversement des alliances, das Bündnis Habsburgs mit Frankreich zu Beginn des Siebenjährigen Krieges, das Fürst Wenzel von Kaunitz, der österreichische Botschafter in Paris, 1756 vermittelte, beendete die über hundertjährige Grenzsituation Freiburgs und ermöglichte eine erneute Blüte der Vorlande in der letzten Periode ihrer Geschichte.

Freiburg profitierte nun von der Anwesenheit der vorderösterreichischen Verwaltung, denn es hatte sich von dem wirtschaftlichen Niedergang nach dem Dreißigjährigen Krieg und während der Periode als Festungsstadt nicht wieder erholen können. Der Adel schmückte die Stadt mit neuen Bauten.

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Die Reformen Maria Theresias

Eine nochmalige tiefgreifende Änderung bedeutete es, als sich Maria Theresia mit Resolution vom 29. April 1752 entschloss, die Vorlande von Tirol zu trennen und eine eigene Provinz Vorderösterreich zu schaffen, die für alle vorländischen Besitzungen Habsburgs zuständig sein sollte. Damit wurde erstmals der Name „Vorderösterreich“ auf alle habsburgischen Besitzungen im Südwesten des Heiligen Römischen Reiches übertragen. Für den Breisgau, SchwäbischÖsterreich und Vorarlberg wurde eine eigene Repräsentation und Kammer mit Sitz in Konstanz unter dem Freiherrn von Summerau eingerichtet. Die Justizsachen blieben der ständischen Regierung in Freiburg, die der Repräsentation in Konstanz untergeordnet war, vorbehalten.

Konstanz wurde wegen seiner „sicheren“ Lage angesichts der noch andauernden Spannungen mit Frankreich als Sitz der Repräsentation bestimmt, während die Justizbehörde, die Regierung in Freiburg, am Versammlungsort der Stände und im Zentrum des vorländischen Adels, verbleiben sollte. Nach dem Bündnis mit Frankreich von 1756 entfiel dieser Grund, so dass Maria Theresia aus Sparsamkeitsgründen nun auch die vorderösterreichische Repräsentation nach Freiburg verlegte. Freiburg war, obwohl geografisch am Rand gelegen, wieder Mittelpunkt der Vorlande.

Volksschul- und Universitätsreform

Freiburg wurde nun zum Zentrum der theresianisch-josephinischen Reformen in Vorderösterreich. Eine der größten Leistung der maria-theresianischen Epoche war die Reform des Volksschulwesens. Die Schaffung dieses neuen allgemeinen Schultypus nach den Vorschlägen des Abtes von Sagan, Ignaz Felbiger, galt als „die kulturelle Großtat der theresianischen Epoche“. Es soll hier nicht im Einzelnen darauf eingegangen werden, wichtig aber ist, dass die „Normalschule“ – nach heutigen Begriffen die Pädagogische Hochschule Vorderösterreichs, an der man die neue Methode lernen konnte –, in Freiburg eingerichtet wurde.

Die Universität Freiburg erlebte unter Maria Theresia den Wandel von der autonomen und privilegierten Korporation zur obrigkeitlich bestimmten Staatsanstalt. In den in Wien ergangenen Vorschriften zur Neuordnung der Wiener medizinischen Fakultät von 1749 und in der „Wiener Studien ordnung“, die für die gesamte Monarchie verbindlich gemacht wurde, steckte bereits der Kern, der von Maria Theresia intendierten Universitätsreform. Sie verpflichteten die Universitäten zur Umgestaltung von Unterrichtsplan, Lehrstoff und Lehrmethode und veränderten die bisherigen Fakultäts- und Senatsverfassungen.

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Die Universität als Bastion aufgeklärten Geistes

Diese große Reform der Freiburger Universität war die wesentliche Voraussetzung für die Verbreitung aufgeklärten Gedankengutes in Vorderösterreich. Zahlreiche Neubesetzungen mit „fortschrittlich gesinnten Professoren“ machten die Freiburger Hochschule zu einer von kirchlichen, besonders monastischen Kreisen gefürchteten Bastion josephinischer Geisteshaltung. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich unter dem Einfluss der badischen Besetzungspolitik der Charakter der Freiburger Universität von einer katholischen Hochschule zu einer fast rein protestantischen Lehranstalt gewandelt.

Unter Joseph II. änderte sich das geistige Klima in Freiburg. Die Aufklärung konnte weitgehend Platz greifen. Konservativ gesinnte Geistliche, wie sie der Abt Steyrer von St. Peter verkörperte, hatten einen schweren Stand. An der Universität Freiburg wurde mit Georg Jakobi erstmals ein Protestant berufen, den der Regierungspräsident Summerau nur mit Misstrauen betrachtete. Innerhalb Vorderösterreichs stieß das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. auf wenig Verständnis. Die Forderung nach seiner Aufhebung lehnte Josephs Nachfolger Kaiser Leopold II. trotz aller restaurativen Maßnahmen allerdings ab.

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Sankt Blasien als geistiges Zentrum

Die Lockerung der Zensur unter Joseph II. erzeugte in Vorderösterreich, namentlich in Freiburg, ein überraschend freies geistiges Klima. Der Regierungspräsident Johann Adam von Posch, langjähriger Verwalter des kaiserlichen Familienvermögens, war ein enger Vertrauter Josephs II. und stand dessen aufgeklärten Geisteshaltung moderat nahe. Er setzte alle Reformmaßnahmen Josephs in Vorderösterreich loyal durch, vermochte es aber trotzdem, ein gutes Verhältnis zu den Prälaten und zum einheimischen Adel zu bewahren, mit dem er sich durch Heiraten seiner Kinder eng verband. St. Blasien war zu dieser Zeit unter Fürstabt Martin Gerbert durch die von ihm initiierte Germania Sacra, durch die hohe Zahl wissenschaftlich tätiger Mönche, ohne Zweifel ein geistiges Zentrum Vorderösterreichs. Bereits unter Maria Theresia hatte sich die Abtei durch das opulent ausgestattete historiografische Werk Monumenta Augustae Domus Austriae von Marquard Herrgott als habsburgisches Hauskloster empfohlen. Mit der Anlage einer Habsburgergruft für die westlich des Arlbergs bestatteten Angehörigen des Hauses zwischen 1772 und 1781 stellte St. Blasien mit dieser „vorderösterreichischen Kapuzinergruft“ die besondere Rolle Vorderösterreichs als ältestes Patrimonium des Erzhauses heraus. Denn durch häufige Präsenz des Abtes in Freiburg strahlte dieser Geist auch auf Freiburg aus. Auch die offiziellen gedruckten Beamtenschematismen zeigen eine breite Schicht vom Beamten, die in Freiburg ansässig war und die das Gesicht der Stadt prägten. Diese bildeten einen nicht unbeträchtlichen Teil der Freiburger Einwohnerschaft.

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Die Bedrohung durch das revolutionäre Frankreich

Die enge Grenzlage Vorderösterreichs zu Frankreich ließ die 1789 ausgebrochene Revolution als Bedrohung der eigenen gesellschaftlichen Ordnung erscheinen und beendete jäh das liberale Klima in Freiburg, das unter Joseph II. und dem Regierungspräsidenten Johann Adam von Posch geherrscht hatte. In der Loge "Zur Schönen Aussicht" hatte sich das Freiburger liberale Bürgertum einschließlich eines großen Teils der vorderösterreichischen Beamtenschaft getroffen. Wortführer waren die Professoren Jakobi, Dannenmayr, Sauter und Ruef, das Sprachrohr die Zeitschrift "Der Freymüthige" gewesen. Das Nachfolgeblatt, "Die Freyburger Beyträge zur Beförderung des ältesten Christenthums und der neuesten Philosophie", wurde wegen seiner "schädlichen Grundsätze“ im Zuge der neuen Reaktion 1793 verboten und musste fortan in Ulm erscheinen.

Bereits am 28. August 1789 sah sich der Regierungspräsident Johann Adam von Posch veranlasst, von den Kanzeln eine öffentliche Warnung vor der Revolution in Frankreich verkünden zu lassen. Sein Nachfolger, der Präsident von Summerau, enger Mitarbeiter des Leiters der Wiener Geheimpolizei von Pergen und deren späterer Leiter, entwickelte eine besondere Gegnerschaft zu revolutionärem Gedankengut. Aufs Sorgfältigste ließ er alle Druckerzeugnisse überwachen, die er jeweils nach Wien sandte. Die Summerau unterstehende Post gab ihm die Möglichkeit, den Brief- und Druckschriftenverkehr weitgehend zu kontrollieren. Beschlagnahmt wurden zahlreiche Zeitungen wie die Annales, Gazettes Nationales und der Straßburger Weltbote.

Gegenpropaganda und Zensur

Überhaupt war das benachbarte Straßburg das Zentrum der revolutionären Propaganda. Die Presse stand wieder unter scharfer Zensur. Mit einem eigenen Spitzelsystem sorgte er für eine wesentlich schärfere Überwachung der Bevölkerung als in früheren Jahren. Opfer waren Johann Kaspar Ruef und der erste an die Universität Freiburg berufene Protestant Johann Georg Jakobi, Professor der schönen Wissenschaften, den Summerau der Sympathie für die Französische Revolution verdächtigte.

In Freiburg richtete Summerau eine eigene Polizeistelle ein. Dabei ließ er es nicht nur bei defensiven Maßnahmen bewenden. Mit großem Geschick organisierte er eine offiziöse Gegenpropaganda, mit der die revolutionären Ideen polemisch angegriffen wurden. Er gewann dazu Journalisten und Schriftsteller inner- und außerhalb Vorderösterreichs. Sein Prinzip war: „Opinion kann nur durch Opinion verdrängt werden, und es kommt darauf an, daß das Gouvernement durch zweckmäßige Volksschriften zur rechten Zeit die öffentliche Meinung zu bemeistern weiß.“

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Endstation Großherzogtum Baden

Der militärische Misserfolg des Reiches im Krieg gegen die Französische Republik ließ eine wirkliche Stabilisierung der Verhältnisse in Vorderösterreich nicht mehr zu. Die Provinz wurde Bestandteil der Manövriermasse in dem großen Länderschacher, der die letzten Jahre des Heiligen Römischen Reiches kennzeichnete und die Epoche der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts einleitete.

Nach dem Wortlaut des Friedens von Lunéville von 1801 sollten der Breisgau und die Ortenau an den Herzog von Modena fallen. Die zivilen Übergabekommissare waren für Österreich der Regierungsrat von Brandenstein, für Erzherzog Ferdinand (Modena) der zukünftige modenesische Regierungspräsident Hermann von Greiffenegg. Ein Te Deum durch den Abt von St. Peter und mehrere Salven der Bender’schen Kompanien beendeten den Schritt des Breisgaus in die Provinzialität. Nach dreijähriger Herrschaft, nach der Niederlage Österreichs in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz und dem Pressburger Frieden vom 26. Dezember 1805 kamen Freiburg, der Breisgau und die Ortenau an das nunmehrige Großherzogtum Baden.

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Das Vergessen der österreichischen Vergangenheit

Es ist erstaunlich, wie schnell die österreichische Vergangenheit Freiburgs und des Breisgaus vergessen schien. Josef Bader, der ehemalige Archivar der vorderösterreichischen Landstände, widmete diesen 1846 eine Abhandlung unter dem Titel Die ehemaligen breisgauischen Stände dargestellt nach ihrem Ursprung, ihrer Verfassung, ihren Leistungen und Schicksalen, Ausführungen, die er in seiner späteren Freiburger Stadtgeschichte noch vertiefte.

Bis 1814 hofften maßgebliche Kreise, insbesondere der breisgauische Adel, auf eine Rückkehr zum Hause Habsburg, eine Hoffnung, die sich mit dem Ausgang des Wiener Kongresses zerschlug. Da das neue Großherzogtum Baden seine neu erworbenen Territorien, insbesondere auch den Adel, nicht mit der gleichen Härte behandelte wie Württemberg, gelang die Integration der habsburgischen Territorien in das Großherzogtum besser als im benachbarten Königreich. Die vorderösterreichische Tradition Freiburgs geriet dabei im 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts relativ rasch in Vergessenheit.

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Vorderösterreich wird wiederentdeckt

Die Wiederentdeckung der vorderösterreichischen Geschichte verband sich mehrfach mit aktuellen politischen Konstellationen. 1943 erschien als vierter Band die von dem Innsbrucker Landesarchivar Otto Stolz bearbeitete Geschichtliche Beschreibung der ober- und vorderösterreichischen Lande, die erstmals seit dem Untergang dieses Territoriums im Jahre 1805 eine Übersicht über Geschichte und Entwicklung des ganzen Gebietes gab. Es ging ihm vor allem darum, die kulturhistorische Einheit der Oberrheinlande zu betonen, auch wenn dies den nationalsozialistischen Ausgriff auf das Elsass zu legitimieren schien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Freiburger Siedlungsgeograf Friedrich Metz einer der ersten, der wieder auf die Geschichte Vorderösterreichs aufmerksam machte. Metz zählte zu den stärksten Befürwortern des Südweststaates innerhalb des ehemaligen Landes Baden, für den er sich seit 1949 in zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen wie in mehreren Publikationen eingesetzt hatte. Die territoriale Gestalt des ehemaligen Vorderösterreich, das das Oberrheingebiet umschloss und schwäbische und badische Elemente vereinigte, stand ihm als politisches Vorbild vor Augen, da es eine Einheit dieses Raumes begründete, die über die Identität des erst in der Napoleonischen Zeit gebildeten Großherzogtums Baden hinausreichte.

Nur wenige Jahre später, im Jahre 1950, erschien ein Werk des Freiburger Rechtshistorikers und Fürstenbergischen Archivars Karl Siegfried Bader mit dem Titel Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, das zwar ein vorrangig historisches Thema behandelte, aber zugleich auch einen sehr aktuellen politischen Bezug zur Südweststaatgründung hatte. Für Bader war das neue Südwestdeutschland eine große, die Territorien des 19. Jahrhunderts übergreifende Einheit. Damit stand er im heftigsten politischen Gegensatz zum Freiburger Staatspräsidenten Leo Wohleb sowie dessen wichtigstem Berater und Mitstreiter in Sachen Wiederherstellung des „alten Landes“ Baden Paul Zürcher.

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Freiburg als Erinnerungsort

Zur gleichen Zeit erschien auch die erste Darstellung mit dem Titel "Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten" aus der Feder von Hans Erich Feine. Sein Werk gehört in den größeren Zusammenhang der Wiederentdeckung des Heiligen Römischen Reiches durch die Geschichtswissenschaft nach dem Zusammenbruch von 1945, als man Abschied nahm vom Idealbild des Bismarck’schen Reiches als der optimalen Verwirklichung der Idee eines deutschen Nationalstaates. Die Kritikpunkte gegen das "Alte Reich“, es sei ein "Monstrum“ gewesen, das weitgehend nationalstaatlicher Züge entbehrte, wurden nun umgedeutet. Diese Zeit wurde nun als eine mögliche und weitgehend Frieden garantierende Ordnung für Mitteleuropa neu interpretiert. Seit dieser Renaissance der Vorderösterreichforschung ab 1945, die mit den Namen von Friedrich Metz und dem Wirken des Alemannischen Instituts verbunden ist, folgten zahlreiche Tagungen in Süddeutschland und Österreich.

Die baden-württembergische Landesausstellung "Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers" in Rottenburg, Freiburg und auf der Schallaburg in Österreich in den Jahren 1999 und 2000 hat das Territorium vielen Bürgern wieder optisch präsent gemacht. Das gleiche Ziel verfolgten die Einrichtung eines Vorderösterreichmuseums in Endingen am Kaiserstuhl und die Umgestaltung des Wentzingerhauses in Freiburg zum Museum, das dem bedeutendsten barocken Künstler in Vorderösterreich gewidmet ist. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Finanzmittel bereitgestellt, um die nach 1805 auf zahlreiche Archive verstreuten vorderösterreichischen Archivalien wenigstens auf dem Papier wieder zusammenzuführen. Durch einen großen Archivalientausch zwischen Bayern, Württemberg und Baden ist sogar ein Teil der vermischen Bestände wieder in jeweils einem zuständigen Archiv vereint worden.

Die allgemeine Hochschätzung des alten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation nach 1945 als eines zum Frieden neigenden politischen Gebildes in Mitteleuropa und die ganz Südwestdeutschland verbindende politische Ordnung der Vorlande als Vorbild einer politischen Lösung im Streit um den Südweststaat von1948 bis 1952 war ein Produkt der Nachkriegszeit. Erst die Publikationen des Rechtshistorikers Karl Siegfried Bader und des Siedlungsgeografen Friedrich Metz machten aus der vorderösterreichischen Vergangenheit Freiburgs wieder einen Erinnerungsort der Breisgaumetropole.

 

Spuren der Zähringer und Habsburger

Heute speist sich die kollektive Geschichtserinnerung Freiburgs aus zwei Quellen: aus der zähringisch-badischen Gründungstradition der Stadt, zu der sie durch die Ereignisse von 1806 zurückgefunden hat, und aus der vorderösterreichisch-habsburgischen Vergangenheit, die ihre Glanzpunkte in der freiwilligen Übergabe der Stadt an das Haus Habsburg 1368, in der Universitätsgründung und der Residenzzeit Herzog Albrechts VI., in der Periode des Humanismus unter Kaiser Maximilian, in der vorderösterreichischen ständischen Tradition Freiburgs als Mittelpunkt einer oberrheinischen Adelslandschaft und im Residenzcharakter der Stadt in der theresianisch-josephinischen Epoche hatte. Der Wechsel der Wirkmächtigkeit dieser historischen Traditionen zeigt aber auch, wie stark das Geschichtsbewusstsein von Gegenwartsfaktoren bestimmt ist und wie Erinnerungsorte entstehen und vergehen können.

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Überblick: Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

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