Frühes 19. Jahrhundert

Nach dem Sieg über Napoleon trafen sich 1815 die Mächtigen Europas auf dem Wiener Kongress, um Europa neu zu ordnen. Baden und Württemberg blieben als souveräne Staaten bestehen, die dem Deutschen Bund beitraten. Wie sich die beiden Länder in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht zwischen 1815 und 1848 entwickelten, erfahren Sie auf dieser Seite.

Der Wiener Kongress

1815: Napoleon war erfolgreich geschlagen, die Mächtigen Europas trafen sich in Wien, um über die Folgen der napoleonischen Ära zu beraten und Europa neu zu ordnen. Das langfristige Ziel des Kongresses hieß ganz modern: Friedenssicherung in Europa.

Auch Württemberg war durch seinen König, Friedrich I., an diesem Kongress beteiligt. Ihm oblag es sicherzustellen, dass die Großmächte sein im Vergleich kleines Land nicht auflösen und einer der Großmächte zuschlugen oder noch schlimmer es zwischen Baden und Bayern aufzuteilen, um einen großen "Südstaat" zu schaffen.

Friedrich hatte exzellente Beziehungen zu den Mächtigen Europas. Schließlich gelang es Friedrich, dass als Verhandlungsergebnis festgehalten wurde, dass das Königreich Württemberg auch weiterhin als Mitglied des Deutschen Bundes souverän bleiben würde.

Gleiches galt für die Politik Badens: Auch hier gelang es dem zum Großherzog aufgestiegenen Markgrafen Karl Baden als Ganzes zu erhalten und seine Fläche um das Siebenfache zu vergrößern. Auch Baden trat als souveräner Staat dem Deutschen Bund bei.

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Wirtschaft in Württemberg

Die Landwirtschaft in Württemberg

Nach dem plötzlichen Tode König Friedrichs folgte ihm sein ältester Sohn König Wilhelm I. Mit seinem Vater hatte er bereits heftige und schwere Konflikte ausgetragen, doch in den letzten Jahren vor dem Tod des Vaters hatten die beiden sich wieder angenähert und miteinander ausgesöhnt.

König Wilhelm musste mit dem Beginn seiner Regentschaft drei grundlegende Bereiche Württembergs reformieren bzw. aufbauen: Die Landwirtschaft, die Industrie und den Handel. Die Landwirtschaft bekam zunächst Priorität: 1815/1816 hatte sich eine große Hungerkatastrophe ereignet, die viele Württemberger zum Auswandern nach Russland und Nordamerika zwang. Die Daheimgebliebenen hatten wenig bis nichts zu essen und starben an Hunger, Erschöpfung und Krankheit. Die Hungerkrise war für den Einzelnen schwerwiegend, im Gesamten dauerte sie aber nicht mehr als ein Jahr bis zur nächsten Ernte.

Das Cannstatter Volksfest

Mit dem Einfahren des ersten Erntewagens, der mit Getreide angefüllt und festlich geschmückt war, feierten die Cannstatter wie die Stuttgarter ein großes Erntedankfest. König Wilhelm nutzte die Gelegenheit  und institutionalisierte dieses Cannstatter Volksfest, das er förderte und um eine landwirtschaftliche Messe, das landwirtschaftliche Hauptfest, ergänzte.

Dabei stand für König Wilhelm nicht das Feiern im Vordergrund, vielmehr sollte die Festlichkeit die Möglichkeit zum Austausch über landwirtschaftliche Fragen schaffen. Insbesondere die Erträge sollten so gesteigert werden, um eine neue Hungersnot in Württemberg künftig zu vermeiden.

Aber eine Kommunikationsplattform im Jahr schien dem König zu wenig. Er suchte weiter nach Wegen die württembergische Landwirtschaft zu verbessern. Schließlich gründete König Wilhelm in Hohenheim die landwirtschaftliche Versuchsanstalt, auf wissenschaftlichem Wege erhoffte sich der König einen lang andauernden Reform- und Modernisierungsprozess.

Die spätere Universität leistet tatsächlich bis heute viel, um eine zeitgemäße, nachhaltige und leistungsfähige Landwirtschaft zu sichern. Dieses Engagement des Königs brachte ihm den Namen "König der Landwirte" ein, den er wohl durchaus mit einigem Stolz getragen haben dürfte.

Infrastruktur

Aber auch die Bedeutung der Wirtschaft erkannte der König rasch. Die beginnende Industrialisierung wollte der König trotz der damit verbundenen Risiken aktiv nutzen. Seine Strategie sah vor, die Industrialisierung durch staatliche Förderung in Gang zu bringen, gleichzeitig sollte der Handel und das entstehende Gewerbe gefördert werden. Es war Friedrich List, der zuerst die Idee hatte, Württemberg durch Auf- und Ausbau der Eisenbahn zu entwickeln.

Entwicklung und Ausbau der Eisenbahn

Allerdings erschien in Württemberg diese Idee zunächst nicht realisierbar, zu groß waren die damit verbundenen finanziellen und technischen Schwierigkeiten. Man denke nur an den Albaufstieg, die vielen benötigten Tunnels und anderes mehr. Entlang des Neckars entstand die erste Eisenbahnlinie, denn es galt die Betriebe des mittleren Neckartals mit dem stark wachsenden Industriezentrum Heilbronn zu verbinden. Dieses Ziel hatte schon die Schiffbarmachung und Kanalisierung des Neckars verfolgt, ein Projekt das König Wilhelm ebenso verfolgte wie den Ausbau der Straßen. 

Die Förderung der Eisenbahn ermöglichte es dem Land sich infrastrukturell zu entwickeln, bislang war Württemberg kaum erschlossen. Die mutige Entscheidung - trotz immenser finanzieller Aufwendung - ganz auf die Eisenbahn zu setzen, half dem Königreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine führende Position in der mechanischen und chemischen Industrie zu einzunehmen.

Die aktive Industriepolitik König Wilhelms zeigte sich auch im Handel und im Gewerbe. Insbesondere der Beitritt zum Deutschen Zollverein von 1834 brachte einen wirtschaftlichen Aufschwung für das Gewerbe, viele Zölle wurden abgebaut oder verschwanden gänzlich. Daneben sollten aber auch Handel und Gewerbe staatlich unterstützt und gefördert werden.

Eine glückliche Personalentscheidung des Königs stellte die Weichen: Er berief Ferdinand von Steinbeis 1848 als Leiter der von ihm neu gegründeten königlichen Centralstelle für Handel und Gewerbe. Diese Einrichtung sollte Unternehmensgründungen fördern, indem sie Kredite zur Verfügung stellte, vor allem aber mit kaufmännischem und technischem Wissen half. In dieser gründerzeitlichen Atmosphäre entstanden auch die ersten württembergischen Banken. Zwar gab es Banken vergleichbare Institute schon im 18. Jahrhundert, doch waren sie eher auf die Finanzierung von Handelsgeschäften spezialisiert. Banken, die Geld für Unternehmensgründungen, -modernisierungen und -erweiterungen bereitstellten, entstanden erst jetzt. 

Gesellschaftspolitik in Württemberg

Duch die Entstehung des Königreichs Württemberg durch Napoleons Gnade 1806, gab es in Württemberg zahlreiche Konflikte: Insbesondere die Auseinandersetzung zwischen dem bereits 1805 mediatisierten, also enteigneten, Adel und dem neu gebildeten Königreich, sowie die Spannung zwischen den mit den neue erworbenen Gebieten hinzugekommenen katholischen und jüdischen Untertanen mit den in Altwürttemberg beheimateten Protestanten, bestimmte die politische Agenda in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Das Herzogtum Württemberg war von 1495 bis 1803 mit Ausnahme der regierenden Familie Württemberg ein beinahe adelsfreies Territorium. Dadurch entwickelten die württembergischen Untertanen eine ganz eigene Vorstellung von Mitsprache, sie erkämpften z.B. im Tübinger Vertrag weitgehende Rechte, z.B. über die Finanzen des Herzogtums, die im "guten, alten Recht" für jeden Herzog verbindlich waren. 

Ändern sollte sich diese Situation als infolge der Auflösung kleinerer adeliger Herrschaften 1805 der Besitz der Adeligen in den neuen Staat Württemberg überging. Durch diese Eingliederungen ehemaliger adeliger Territorien wurden nun plötzlich auch Adelige württembergische Untertanen. Dass dies ihrem Selbstverständnis zuwider lief, belegt der viel zitierte Ausspruch als Standesherr sei man besser "Sauhirt in der Türkei als Adeliger in Württemberg".

König Friedrich, der Vater König Wilhelms zeigte Härte und zwang die Adeligen unter seinen Willen, so mussten die Mitglieder des Hochadels ein halbes Jahr in Stuttgart residieren, ihre Titel wurden bei Hofe nicht anerkannt, sie galten nun als "privilegierte Landwirte". Durch ihren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Einfluss waren die Mitglieder des Adels trotz ihrer im Verhältnis kleinen Anzahl eine wichtige Gruppe, die langfristig in das neue Königreich integriert werden musste. König Wilhelm gelang dies dadurch, dass er den Mitgliedern des Adels eine repräsentative Bühne verschaffte.

Mit der Verabschiedung einer geschriebenen Verfassung 1818, der ein mehrere Jahre langer Streit um die genaue Ausgestaltung vorausgegangen war, wurde ein Zweikammerparlament eingeführt. Während die Abgeordneten der zweiten Kammer durch Wahlen bestimmt wurden, saßen in der ersten Kammer aufgrund von Geburt die Adeligen des Landes, aber auch der Rektor der Universität Tübingen und vom König ernannte Personen. Die Adeligen konnten nun ihre Vorstellungen äußern und versuchen, diese in Gesetzen niederzulegen. Allerdings war das politische System so konstruiert, dass die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der ersten Kammer äußerst gering blieben.

Ihre Versuche wenigstens über den Deutschen Bund ihre verlorenen Territorien zurückzuerhalten oder zumindest größere Entschädigungen zu erhalten, schlugen regelmäßig fehl. König Wilhelm war es also gelungen, den Adel einerseits in das neue Königreich Württemberg zu integrieren, andererseits denselben so zu entmachten, dass er keine politischen Mitspracherechte mehr besaß und in der Folge in seiner Bedeutung fast völlig marginalisiert wurde.

Konfessionen in Württemberg

Die Lösung des konfessionellen Konflikts in Württemberg gestaltete sich schwierig: Aus großen Gebieten mit überwiegend katholischer Bevölkerung kamen durch die 1803 erfolgte Säkularisierung, also der Verweltlichung von Kirchengut, viele Katholiken nach Württemberg. Der spätere König Friedrich hatte 1803 als Ausgleich für die auf nun französischen Territorium liegende Besitzungen zahlreiche Klöster und Kirchen zugesprochen bekommen, die er nun auflöste und ihren Besitz einzog. Da die Klöster auch über umfangreiches Territorium verfügten, wechselten die Untertanen aus der Zuständigkeit des Klosters nun in württembergische Obhut. Im Süden betraf dies vor allem Oberschwaben, im Norden die Fürstpropstei Ellwangen sowie 1809 die Gebiete des Deutschen Ordens um Mergentheim. 

Die bisher einflussreiche Ehrbarkeit, vorwiegend Beamte, Geistliche und wirtschaftlich Erfolgreiche aus den angesehenen Familien des Landes, die protestantisch waren, versuchten die unwillkommene Konkurrenz um Posten und Stellen fernzuhalten, von den Katholiken wurde als den ungebildeten "Marienverehrern" gesprochen. Gleichzeitig stellten die Katholiken als neue Untertanen aber auch Forderungen an den neuen Staat. Württemberg sollte sie und ihre Religion anerkennen und einen Ausgleich zwischen den Konfessionen schaffen.

Dies gelang König Wilhelm durch die institutionelle Eingliederung des Katholizismus in Württemberg. So hatte zwar König Friedrich in Ellwangen eine katholische Universität gegründet, diese wurde aber 1816 nach Tübingen verlegt, um am gleichen Ort wie die Protestanten ihre  Geistlichen ausbilden zu können, das Wilhelmsstift wurde dann auch nach dem König benannt. Außerdem wurde ein eigenes Bistum in Rottenburg geschaffen, das große Teile Württembergs umfasste. Auch der Papst hieß diese Neueinteilung in seiner Bulle "Provida Solersque" für gut. Diese Maßnahmen beruhigten die Atmosphäre, in den folgenden Jahren fanden beide Konfessionen ihr Auskommen, man gewöhnte sich aneinander. Mit der Mediatisierung kamen auch Juden nach Württemberg. In der Reformation noch des Landes verwiesen, wurden Juden nun seit 1906 geduldet. 1828 lebten schon rund  28 000 Juden in Württemberg, sie wurden im Emanzipationsgesetz aus dem gleichen Jahr den anderen Untertanen gleichgestellt.

Der Tübinger Vertrag

Der Tübinger Vertrag wurde 1514 zwischen Herzog Ulrich und württembergischen Landständen geschlossen. Man verpflichtete sich darin zur Zusammenarbeit. Daher wird der Tübinger Vertrag auch als "württembergische Magna Carta" bezeichnet.

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Wirtschaft in Baden

Die Situation im neu gegründeten Großherzogtum unterschied sich im Wesentlichen kaum von der Entwicklung in Württemberg. Auch in Baden hungerten 1816 die Menschen, die Obrigkeit versuchte die Landwirtschaft in den folgenden Jahren ertragreicher zu machen, dabei profitierte Baden vor allem von den im Süden hinzugekommenen Territorien, die qualitativ hochwertigen Weinbau erlaubten und in den folgenden Jahren von den Großherzögen gefördert wurden, um mehr Wein anzubauen und in die Nachbarländer exportieren zu können.

Wie Württemberg setzte auch Baden auf Industrieförderung durch den Auf- und Ausbau der Infrastruktur. Insbesondere die Rheinbegradigung durch Johann Gottfried Tulla ermöglichte die Nutzung des Rheins als neue Wasserstraße, die Baden als Ganzes durchzog und Transporte von stapelfähigem oder schüttbaren Gut über weite Strecken erlaubte. Auch die Eisenbahn wurde - nachdem ihr Wert erkannt worden war - von Mannheim nach Basel ausgebaut. 

Rheinbegradigung und Eisenbahnbau waren die großen badischen Infrastrukturprojekte des 19. Jahrhunderts. So wie die Eisenbahn in Württemberg die entstehenden Industriezentren verband, so wurde auch in Baden der industrialisierte Norden - die Kurpfalz mit Mannheim - mit dem Süden verbunden.

Als ausgesprochen hilfreich erwies sich der Deutsche Zollverein von 1848. Die schweizerischen und französischen Unternehmen in unmittelbarer Grenznähe zu Baden mussten mit dem Beitritt Badens zum Zollverein Zölle bezahlen. Um diese zu umgehen, gründete vor allem die lukrative Tuchindustrie zahlreiche Niederlassungen in Baden. Diese Gründungen führten zu einem lang anhaltenden und dauernden wirtschaftlichen Aufschwung. Neben der Textilindustrie machte auch die Schwerindustrie von sich reden, die Maschinenfabrik Ettlingen war das Unternehmen für den Eisenbahnbau. 

Den übergroßen Anteil des Handels und des Gewerbes bildeten aber die Handwerksbetriebe und Manufakturen, die sich zunehmend entwickelten, neue Techniken nutzten und langsam, aber stetig wuchsen.

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Gesellschaftspolitik in Baden

Das Großherzogtum hatte durch sein schnelles territoriales Wachstum mit den gleichen Problemen wie Württemberg zu kämpfen. Der durch die Mediatisierung nach Baden gelangte Adel musste integriert und die Interessen der Konfessionen gegeneinander abgewogen werden. Baden wählte einen ähnlichen Weg wie Württemberg. Zwar hatte Baden keine vergleichbare landständische Tradition, keinen Landtag und war bis 1818 eine absolute Monarchie, doch verstärkte dieser Mangel eher das Einfordern einer geschriebenen und relativ liberalen Verfassung.

Das Ständehaus

In Karlsruhe tagte im Ständehaus das neu geschaffene Zweikammerparlament, auch hier wurde die Erste Kammer aus den Standesherren, dem Freiburger Erzbischof, dem Kronprinzen und weiteren vom Großherzog berufenen Personen gebildet. Die zweite Kammer wurde in mittelbarer, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Die Standesherren konnten sich auch in Baden nicht gegen die Interessen der Mehrheit durchsetzen und verloren kontinuierlich an Boden. Es blieb aussichtslos, die alten Recht widererstreiten zu wollen.

Konfessionell dominiertn die protestantischen Bürger und Beamten um Karlsruhe den Staat. Durch die territoriale Vergrößerung kamen zwar sehr viele Katholiken nach Baden, doch ihre Interessen konnten sie nicht durchsetzen. Auch räumlich blieben Katholiken und Protestanten getrennt, die Katholiken sahen Freiburg als ihre Hauptstadt, das nun Sitz der neugegründeten Erzdiözese war, die Protestanten dominierten Politik und Wirtschaft in Karlsruhe. Dieser ungelöste Konflikt sollte mit aller Schärfe im Kulturkampf der 1860er Jahre ausbrechen.

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