Einschüchterung, Gewalt und Terror

Die konservativen Politiker hatten sich getäuscht. Hitler war zwar gemäß der Verfassung an die Macht gekommen, diese achtete er aber nicht: Innerhalb weniger Wochen entmachtete er den gesamten Staatsapparat, die Bürger durch das Reichstagsbrandgesetz, das Parlament durch das Ermächtigungsgesetz und die Länder durch die „Gleichschaltung“. Es ist umstritten, inwieweit er einer klaren Strategie folgte. Sicher aber ist, dass er mit legalen Mitteln Verfassung und Staat aushöhlte und diese mit ihren eigenen Waffen schlug. Dabei kamen ihm die gewählten Vertreter – mit Ausnahme der SPD und den Abgeordneten der KPD, die bereits im März in neu geschaffene Konzentrationslager deportiert worden waren – zu Hilfe. Sie ließen sich durch die Stimmung der „nationalen Erhebung“ anstecken und meinten mit ihrer Stimme für die nationalsozialistischen Gesetze im Sinne des Allgemeinwohls zu handeln. Sie versuchten – wie etwa die Zentrumspartei – ihre politischen Interessen zu vertreten oder sie wurden durch Zwang, Druck und Demonstration offener Gewalt zur Zustimmung gebracht. Die Weimarer Republik schien förmlich in sich zusammenzufallen. Gegen die nationalsozialistische Politik wandte sich 1933 kaum jemand, entweder aus Furcht vor Repressalien oder aus der Hoffnung, es werde schon nicht alles so schlimm werden. Die einzig nennenswerte Ausnahme bildete in Württemberg die Gemeinde Mössingen, in der ein reichsweiter Generalstreik, ausgerufen durch die KPD, umgesetzt wurde. Regionaler oder gar regionenübergreifender Widerstand entwickelte sich aber nicht.

In Württemberg und Baden zeichnete sich sehr schnell eine ähnliche Entwicklung wie im Reich ab. Das Reichstagsbrandgesetz hob die Grundrechte auf, nun war es möglich, ohne Begründung jeden in Schutzhaftlager zu internieren, um so politische Gegner mundtot zu machen. Dies erleichterte der NSDAP den Wahlkampf zu den kurzfristig anberaumten Reichstagswahlen vom 5. März 1933, die der formalen Legitimation des Kabinetts Hitler dienen sollte. In Württemberg stimmten 42 Prozent der Bevölkerung für die NSDAP. Diese „halbfreien“ Wahlen sollten der Existenz der Länder ein Ende setzen.

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Ermächtigungsgesetz und Aufhebung des Föderalismus

Drei Tage nach der Reichstagswahl setzte Hitler am 8. März 1933 in Württemberg mit dem fadenscheinigen Argument, die Regierung könne die Ruhe und Ordnung, die zuvor von SA-Einheiten erheblich gestört worden war, nicht mehr garantieren, Dietrich von Jagow als Reichskommissar in Württemberg ein. Die Parteiführung der NSDAP war in Württemberg durch innere Machtkämpfe gespalten, Wilhelm Murr und Christian Mergenthaler stritten sich erbittert um die Macht. Nachdem Hitler entschieden hatte, Murr als neuen Staatspräsidenten einzusetzen, während Mergenthaler das Kultusministerium erhielt, stimmte der Landtag dieser Umbildung zu. DDP und Zentrum konnten sich nicht dazu durchringen, mit „Nein“ zu stimmen, sondern enthielten sich. Nur die SPD verweigerte Murr die Zustimmung.

Mit dem Ermächtigungsgesetz wurde der Reichstag ausgeschaltet. Auch hier stimmte nur die SPD unter massiven Anfeindungen gegen ihre Abgeordneten durch die SA gegen das Gesetz. Durch dieses Gesetz erreichte es Hitler, dass Gesetzesvorlagen nicht mehr der Zustimmung des Parlamentes unterworfen waren. Auch die Konstruktion mit Notverordnungen, denen der altersgreise Reichspräsident Paul von Hindenburg durchaus seine Zustimmung hätte verweigern können, wurde so umgangen. Am 31. März schließlich folgte das erste Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich, am 7. April das zweite Gesetz, was die de-facto-Auflösung der föderalen staatlichen Macht bedeutete. Repräsentanten des württembergischen Staates waren nun der zum Reichsstatthalter aufgerückte Wilhelm Murr, dem der nunmehrige Staatspräsident und Kultminister Christian Mergenthaler unterstellt wurde. Der Landtag legitimierte durch ein eigenes Ermächtigungsgesetz im Juni das Vorgehen der Nationalsozialisten und setzte die Verfassung von 1919 außer Kraft. Schließlich wurde 1934 noch die württembergische Staatsbürgerschaft zugunsten einer reichsdeutschen aufgehoben. Regierung und Ministerien hatten nun keine Entscheidungsfreiheit mehr. Sie führten aus, was in Berlin entschieden wurde.

In Baden verlief diese Entwicklung der Entmachtung noch schneller, da Hitler in Robert Wagner einen getreuen Gefolgsmann hatte, der mit seiner gut organisierten Partei auch auf dem badischen Land rasch die Macht übernehmen konnte. Auch hier wurde am 8. März unter Hinweis auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung Robert Wagner zum Reichskommissar für Baden eingesetzt. Dieser organisierte sofort die SA als Hilfspolizei und setzte sich selbst am 11. März als Staatspräsident ein. Am 5. Mai 1933 wurde er zum Reichsstatthalter für Baden bestimmt, als neuen Staatspräsidenten installierte er den linientreuen Walter Köhler, von dem kein Widerstand zu erwarten war. Damit war die politische „Machtergreifung“ der NSDAP in den Ländern abgeschlossen.

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Die Gleichschaltung der Gesellschaft

Der Nationalsozialismus griff durch seine Gesetze tief in die Gesellschaft ein: Schon im Juli 1933 wurden die politischen Parteien verboten, auch die Gewerkschaften wurden in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) unter Robert Ley zwangsvereinigt bzw. aufgelöst.

An die Stelle der verschiedenen, häufig konfessionell gebundenen Jugendverbände trat die Hitlerjugend (HJ) für Jungen und der Bund deutscher Mädel (BdM) für Mädchen. Beide Großorganisationen erreichten innerhalb weniger Jahre einen Organisationsgrad von fast 90 Prozent aller Kinder und Jugendlichen ab zehn Jahren. Auch die übrigen berufsständischen Organisationen und Verbände wurden aufgelöst und durch nationalsozialistische Verbände ersetzt, sei es z. B. die Reichsschrifttumskammer für Autoren oder der Nationalsozialistische Studentenbund. Konnte man aufgrund vermuteter „Rassezugehörigkeit“ oder aus Widerstand keine Mitgliedschaft vorweisen, blieb einem das Studium oder die Arbeitsaufnahme verwehrt. Der Staat kontrollierte auf diese Weise das politische und private Leben der Menschen auf „totale“ Weise.

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