Byrnes und die „Speech of Hope“ in Stuttgart

Auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik

Entscheidungen über die politische Zukunft Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden an einer Reihe unterschiedlicher Orte wie Jalta, Potsdam, London, Paris, Moskau und Washington getroffen. Am 6. September 1946 war das Württembergische Staatstheater in Stuttgart Schauplatz einer bedeutenden Rede des US-amerikanischen Außenministers James F. Byrnes, die als Meilenstein in die amerikanische Nachkriegspolitik gegenüber Deutschland in die Geschichte eingegangen ist. In der Rede wurde zum ersten Mal deutlich, dass die Feindschaft und der bittere Antagonismus der Kriegsjahre und unmittelbaren Nachkriegsmonate einer amerikanischen Bereitschaft zur Kooperation mit deutschen politischen Institutionen im beginnenden Kalten Krieg gewichen waren.

„Ich bin nach Deutschland gekommen, um mich an Ort und Stelle über die mit dem Wiederaufbau Deutschlands verbundenen Probleme zu orientieren und die Ansichten der Regierung der Vereinigten Staaten über einige der vor uns liegenden Probleme mit unseren Vertretern in Deutschland zu besprechen,“ so Byrnes in seiner Stuttgarter Rede. In der Wahrnehmung der Zeitgenossen gab die Ansprache Anlass zur Hoffnung, dass Deutschland in absehbarer Zukunft wieder in die demokratische Staatengemeinschaft aufgenommen würde und sich wirtschaftlich entwickeln könnte.

Autor: Prof. Dr. Georg Schild

Der Text von Prof. Dr. Georg Schild erschien unter dem Titel „Byrnes und die „Speech of Hope“ in Stuttgart. Auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik“ in dem „Baden-Württembergische Erinnerungsorte“ anlässlich des 60. Jahrestages von Baden-Württemberg. Darin werden 51 Erinnerungsorte Baden-Württembergs vorgestellt.

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Die Stuttgarter Rede im Kontext der alliierten Nachkriegspolitik

Die Stuttgarter Rede von Außenminister Byrnes muss im Kontext der alliierten Nachkriegsplanungen gesehen werden. Auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam hatten sich die Siegermächte im Februar und August 1945 darauf verständigt, Deutschland zum Zwecke der Verwaltung in vier Zonen aufzuteilen. Dies war nicht als erster Schritt hin zu einer Teilung des Landes geplant. Im Gegenteil sollte Deutschland als Einheit erhalten und gemeinsam verwaltet werden. Im Verlauf des Jahres 1946 zeigten sich jedoch unterschiedliche Auffassungen unter den Siegermächten in zentralen Fragen wie der Schaffung einheitlicher politischer Strukturen, bei Reparationen sowie in der Saar- und Ruhrgebietsfrage. Diese alliierten Meinungsverschiedenheiten behinderten nach amerikanischer Ansicht die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und führten im Verlauf des Jahres 1946 zu einer allmählichen Kurskorrektur in der US-Deutschlandpolitik. Sie mündeten schließlich in der Schaffung eines westdeutschen Teilstaates.

Insbesondere in der Reparationsfrage bestanden unterschiedliche Auffassungen zwischen den Regierungen in Washington und Moskau. Zunächst war die US-Regierung für Reparationsleistungen im Rahmen harter Friedensbedingungen eingetreten. Als Reaktion auf die nationalsozialistischen Verbrechen wurde die Direktive der Vereinten Stabschefs (JCS) 1067 erlassen, die harte Friedensbedingungen anordnete. Deutschland sollte zur Kapitulation gezwungen und alle Spuren nationalsozialistischer Herrschaft sollten getilgt werden. Darüber hinaus sollten keine Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Landes unternommen werden.

Doch bereits vor der deutschen Kapitulation hinterfragten einige Beobachter die Grundlagen dieser Nachkriegsplanung. So schrieb General Lucius D. Clay am 20. April 1945 an James F. Byrnes, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht Außenminister war, den Clay jedoch aus der gemeinsamen Zeit im Amt für Kriegsplanung und Mobilisierung in Washington sehr gut kannte, dass die Lebensbedingungen in Deutschland bedrohlich seien. Das Ausmaß der Zerstörung des Landes werde in Amerika nicht ausreichend wahrgenommen. Alle bisherigen Deutschlandplanungen seien davon ausgegangen, dass eine militärische Wiederaufrüstung Deutschlands verhindert werden müsse. Dabei habe man jedoch übersehen, dass es das kurzfristige Ziel sein müsse, durch nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit wenigstens einen minimalen Lebensstandard für die Bevölkerung garantieren zu können. Clay schloss seinen Brief mit der Aufforderung an Byrnes, Deutschland bald zu besuchen: „Ich erinnere mich, dass Sie versprochen haben, in nicht allzu ferner Zukunft herüberzukommen, und ich möchte Sie um einen solchen Besuch und Ihre Ratschläge bitten.“

Die Teilung in Besatzungszonen

Die Sowjetunion, die unter dem Krieg weitaus schlimmer gelitten hatte als die USA, betrachtete Reparationsleistungen als wirtschaftliche Notwendigkeit und bestand bei allen alliierten Konferenzen auf Demontagen und Entnahmen aus der laufenden Produktion. In seinen 1947 erschienenen Erinnerungen „Speaking Frankly“ schrieb Byrnes, er habe auf der Potsdamer Konferenz mit seinem sowjetischen Amtskollegen Wjatscheslaw Molotow über die Frage von Reparationen gesprochen. Wenn die Sowjetunion Reparationsleistungen aus dem gesamten deutschen Territorium beanspruche, dann müsse zunächst berechnet werden, was bisher entnommen worden sei. Das sei jedoch kaum möglich. Als einzige Lösung erschien den USA, dass sich jede Besatzungsmacht für Reparationsleistungen aus der eigenen Zone bediene.

Byrnes’ Aufzeichnungen über die Verhandlungen in Potsdam zeigen, wie tief bereits wenige Wochen nach dem Kriegsende in Europa das Misstrauen zwischen den Westmächten USA und Großbritannien auf der einen und der UdSSR auf der anderen Seite war. Ein Jahr später hatte sich dieses Gefühl noch weiter verstärkt. Deutschland wurde praktisch nicht länger als einheitlicher Wirtschaftraum betrachtet. Stattdessen existierten vier fast hermetisch voneinander abgegrenzte Besatzungszonen – Byrnes sprach in seinen Erinnerungen von „wasserdichten Abteilen“ („water-tight compartments“) –, von denen nicht absehbar war, ob und wann sie wirtschaftlich selbstständig werden könnten.

In den ersten Nachkriegsmonaten gestaltete sich besonders die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln schwierig. Im Winter 1946/47 standen in der US-amerikanischen Zone pro Kopf etwa 1500 Kalorien zur Verfügung, in der französischen nur 1200. Die Industrieproduktion lag wegen der Zerstörung von Fabriken und Infrastruktur 1946 bei nur einem Drittel dessen, was sie zehn Jahre zuvor betragen hatte. Solange sich die wirtschaftliche Entwicklung und Versorgungslage in Deutschland nicht nachhaltig verbessern würde, war auch nicht mit einer Erholung anderer europäischer Staaten zu rechnen. So war im Ruhrgebiet vor dem Krieg gut 40 Prozent der in Westeuropa verbrauchten Steinkohle gefördert worden. Die USA standen vor der Alternative enormer finanzielle Anstrengungen – alleine für das Jahr 1946 in Höhe von etwa 200 Millionen Dollar –, um die Lebensfähigkeit der eigenen Besatzungszone zu garantieren, oder von Reformen, die die wirtschaftliche Lage in der amerikanischen Zone verbessern würde.

Amerikanisch-sowjetische Konfliktpunkte

Die Reparationsfrage war jedoch nur einer von mehreren amerikanisch- sowjetischen Konfliktpunkten. Im Verlauf des Jahres 1946 gingen amerikanische Beobachter zunehmend davon aus, dass die UdSSR eine dauerhafte Stärkung prosowjetischer Kräfte in ihrer Besatzungszone anstrebe. So schrieb der amerikanische Botschafter in Moskau, Walter B. Smith, am 2. April 1946 an Byrnes, es sei das Ziel der sowjetischen Politik, in Ostdeutschland eine „antifaschistische Republik“ als „Vorläufer eines sowjetischen sozialistischen Staates“ oder zumindest als einen an Moskau orientierten Staat zu etablieren. Auch wenn die USA dies ablehnten, so hätten sie doch keine Möglichkeit, es zu verhindern. Smith schlug eine Politik vor, die auch weiterhin am Ideal einer deutschen Zentralregierung orientiert war, die jedoch auf dem Weg dorthin einen westdeutschen Teilstaat schaffen würde, der an westlicher Demokratie orientiert sei.

Im Frühjahr und Sommer 1946 tagte in Paris eine Konferenz der Außenminister der alliierten Siegermächte, auf der die unterschiedlichen Auffassungen zur Deutschlandpolitik und in der Frage von Friedensbedingungen noch einmal deutlich zu Tage traten. Byrnes drängte die Konferenzteilnehmer erfolglos, die Beschlüsse von Potsdam nach Schaffung einer wirtschaftlichen Einheit Deutschlands umzusetzen. Am 10. Juli forderte der sowjetische Außenminister Molotow eine komplette Demilitarisierung der deutschen Industrie, eine alliierte Kontrolle des Ruhrgebiets und eine abschließende Regelung der Reparationsfrage. Zur Frage eines Friedensvertrags mit Deutschland äußerte sich der Sowjetaußenminister ausweichend.

Grundsätzlich befürworte er einen solchen Vertrag. Doch bevor dieser unterzeichnet werden könne, müsse eine deutsche Regierung geschaffen werden, die alle Überreste des Faschismus beseitigt habe und die die Gewissheit biete, alle Verpflichtungen gegenüber den Alliierten – einschließlich der Verpflichtung zu Reparationsleistungen – zu erfüllen. In Reaktion darauf bot Byrnes am 11. Juli allen Siegermächten – also auch der UdSSR – die Verschmelzung der bestehenden Zonen an, um auf diese Art und Weise eine gemeinsame Verwaltung Deutschlands zu erreichen. Nur Großbritannien nahm das Angebot an.

Warum Stuttgart?

Die zunehmenden amerikanisch-sowjetischen Auffassungsunterschiede in der Frage der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Deutschlands und die geplante Schaffung einer Bizone waren der unmittelbare Hintergrund der Rede von Außenminister Byrnes in Stuttgart am 6. September 1946. Zwei Fragen drängen sich im Zusammenhang mit dieser Rede auf: Warum hielt der Minister, während in Paris eine alliierte Nachkriegskonferenz tagte, eine große programmatische Rede außerhalb dieser Veranstaltung? Und warum hielt er die Rede weder in der eigenen Hauptstadt Washington noch in Berlin, der Hauptstadt des besiegten Feindes? In ihren Erinnerungen "Speaking Frankly" und "Decision" in Germany geben Byrnes und General Clay Antworten auf beide Fragen. Danach muss die Stuttgarter Rede als Reaktion auf Molotows Stellungnahme vom 10. Juli und fortgesetzte vermeintliche sowjetische Falschinformationen über die amerikanischen Intentionen verstanden werden.

Nach Beratungen mit Clay und den Senatoren Arthur Vandenburg und Tom Connally entschied Byrnes, dass es an der Zeit sei, die wahren US-Ziele darzulegen. Er wolle dies jedoch nicht in Paris tun, um nicht von den Aufgaben der Konferenz abzulenken, Friedensverträge mit allen kriegführenden Staaten des Zweiten Weltkriegs abzuschließen. Stattdessen wolle er zu den amerikanischen Soldaten in der US-Zone sprechen. Sein Freund General Clay habe ihn ebenfalls dazu ermutigt und die notwendigen Planungen für die Reise nach Stuttgart und die Rede selbst veranlasst. Clay schlug vor, Byrnes solle zunächst mit dem Flugzeug von Paris nach Berlin fliegen, um von dort aus mit der Eisenbahn nach Stuttgart zu fahren, um so selbst einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörung und Verwüstung Deutschlands zu gewinnen. Nach seiner Ankunft in Stuttgart am späten Vormittag des 6. September hielt Byrnes zunächst ein Treffen mit dem Länderrat der amerikanischen Besatzungszone ab. Dann begab er sich in das Württembergische Staatstheater, dem zu dieser Zeit einzigen noch intakten größeren Versammlungsort in der Stadt.

Gemeinsam mit dem amerikanischen Militärgouverneur General Joseph T. McNarney und dem politischen Berater der amerikanischen Militärregierung, Botschafter Robert Murphy, saßen zwei Senatoren neben Byrnes auf dem Podium – der Senator Arthur Vandenburg aus Michigan, ein Republikaner, und Senator Tom Connolly aus Texas, ein Demokrat, um den starken überparteilichen Konsens hinsichtlich der amerikanischen Deutschlandpolitik zu unterstreichen. Beide spielten in der Folgezeit eine bedeutende Rolle bei der Sicherung der Zustimmung zu solch wichtigen Initiativen wie dem Marshallplan und der Gründung der NATO.

Die Stuttgarter Rede

Byrnes begann seine Rede mit Hinweisen auf den Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen für die Vereinigten Staaten und die Welt: „Wir haben wohl oder übel lernen müssen, dass wir alle in einer Welt leben, von der wir uns nicht isolieren können: Wir haben gelernt, dass Frieden und Wohlergehen unteilbar sind und dass Frieden und Wohlergehen in unserem Land nicht auf Kosten des Friedens und Wohlergehens eines anderen Volkes erkauft werden können.“ Dann ging er auf die Vorstellungen der US-Regierung in den aktuellen Nachkriegsfragen ein: „Das amerikanische Volk will den Frieden. Es hat schon seit langem nicht mehr von einem strengen oder milden Frieden für Deutschland gesprochen. Darauf kam es auch niemals wirklich an. Was wir wollen, ist ein dauerhafter Friede. Wir werden uns gegen zu harte und von Rachsucht diktierte Maßnahmen wenden, die einem wirklichen Frieden im Wege stehen.“ Dem deutschen Volk sei auf der Potsdamer Konferenz nicht die Möglichkeit genommen worden, sein Los im Lauf der Jahre durch harte Arbeit zu verbessern.

Eine industrielle Entwicklung und industrieller Fortschritt wurden ihm nicht verweigert. Dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland nach Kriegsende nicht nachhaltiger verbessert habe, sei auf die Uneinigkeit der Siegermächte zurückzuführen. „Die Durchführung der Potsdamer Beschlüsse ist jedoch dadurch behindert worden, dass der Alliierte Kontrollrat nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um es der deutschen Wirtschaft zu ermöglichen, als Wirtschaftseinheit zu arbeiten. Die notwendigen deutschen Zentralverwaltungskörper sind nicht geschaffen worden, obgleich die Potsdamer Beschlüsse sie ausdrücklich verlangten.“ Byrnes wiederholte, dass die amerikanische Regierung noch immer zu früheren Zugeständnissen stehe. „Die Vereinigten Staaten sind der festen Überzeugung, dass Deutschland als Wirtschaftseinheit verwaltet werden muss, und dass die Zonenschranken, soweit sie das Wirtschaftsleben und die wirtschaftliche Betätigung in Deutschland betreffen, vollständig fallen müssen. […]

Es ist klar, dass wir, wenn die Industrie auf den vereinbarten Stand gebracht werden soll, nicht weiterhin den freien Austausch von Waren, Personen und Ideen innerhalb Deutschlands einschränken können.“ Die amerikanische Regierung habe ihre Absicht deutlich gemacht, die Wirtschaft ihrer eigenen Zone mit einer oder mit allen anderen zu vereinigen, die hierzu bereit sind. Bis jetzt habe sich nur die britische Regierung bereit erklärt, mit ihrer Zone daran teilzunehmen. „Wir treten für die wirtschaftliche Vereinigung Deutschlands ein“, so Byrnes. Der Hauptzweck der militärischen Besetzung sei es, Deutschland zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Potsdamer Beschlüsse hätten nicht vorgesehen, dass Deutschland niemals eine zentrale Regierung haben sollte. Sie bestimmten lediglich, dass es „einstweilen“ noch keine zentrale deutsche Regierung geben sollte.

Dossier: „Speech of Hope“ („Rede der Hoffnung“)

Am 6. September 1946 hielt der US-amerikanische Außenminister James F. Byrnes in Stuttgart eine aufsehenerregende Rede, die das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern entscheidend beeinflussen sollte. Diese bis heute unvergessene Rede leitete die Aussöhnung und die enge Freundschaft zwischen beiden Völkern ein.

Dossie: Speech of Hope

Wandel der deutsch-amerikanischen Beziehung

Byrnes’ Ausführungen machten deutlich, wie sehr sich die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik allgemein und besonders in Bezug auf Deutschland geändert hatte. Alle Vorstellungen, die die Nachkriegsplanungen unter Franklin D. Roosevelt bis zum April 1945 geleitet hatten – fortgesetzte Kooperation mit der Sowjetunion, Bestrafung Deutschlands, unverzüglicher Abzug amerikanischer Truppen aus Europa –, waren hinfällig geworden. Stattdessen erschienen die Beziehungen zur Siegermacht Sowjetunion bedrohlich. Byrnes kündigte an, Amerika werde nicht den Fehler des Ersten Weltkriegs wiederholen und zum Isolationismus zurückkehren. Er versprach, dass amerikanische Truppen für die Dauer des Wiederaufbaus Deutschlands auf dem europäischen Kontinent bleiben würden. Außerdem beabsichtige Amerika nicht länger, das besiegte Deutschland hart zu behandeln.

Byrnes beendete seine Rede mit einer bedeutenden Ankündigung: „Das amerikanische Volk, das für die Freiheit gekämpft hat, hat nicht den Wunsch, das deutsche Volk zu versklaven. Die Freiheit, an welche die Amerikaner glauben und für die sie kämpfen, ist eine Freiheit, an der alle teilhaben sollen, die gewillt sind, die Freiheit anderer zu achten. […] Das amerikanische Volk wünscht, dem deutschen Volk die Regierung Deutschlands zurückzugeben. Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt.“

Überschwängliche Reaktionen

Byrnes selbst nannte die Rede in der Rückschau „my most effective speech“. Die Reaktionen in der amerikanischen und britischen Besatzungszone waren überschwänglich. Die „Rhein-Neckar-Zeitung“ schrieb am 7. September 1946: „Die Männer dieses Volkes [der Amerikaner] bestimmen heute über unser zerbrochenes Dasein, und sie sehen in dieser Arbeit die Aufgabe, nicht nur uns, sondern der Welt zu einem Frieden zu verhelfen, der auf festerem Grund gebaut sein soll. Was die Rede im Einzelnen verkündete, gibt uns – eineinhalb Jahre nach unserer beispiellosen Hitlerniederlage – allen Grund, in Ehrfurcht und Vertrauen innezuhalten. Die Rede schenkt uns Hoffnung zu neuem Leben.“

Die „Stuttgarter Zeitung“ sprach von einem „Tag von weltpolitischer Bedeutung in Stuttgart“ und schrieb: „Es geschah wohl zum ersten Mal in der neueren Geschichte, dass nach einem Krieg, noch ehe der Friedensvertrag geschlossen wurde, der Außenminister eines siegreichen Landes das Land des Besiegten besuchte, um dort vor Vertretern der Besatzungsmacht und den einheimischen Regierungsbehörden eine politisch hoch bedeutsame Rede zu halten. […] Wir nehmen Mr. Byrnes’ Besuch und Rede als eine Botschaft der Entschlossenheit des amerikanischen Volkes, seine gewichtige Macht dafür einzusetzen, dass das schwierigste Problem auf dem Wege zu einem dauerhaften Frieden, nämlich die deutsche Frage, gerecht, vernünftig und weitsichtig gelöst wird.“

Unter der Überschrift „Klare Sprache“ schrieb Karl Ackermann in der gleichen Zeitung: „Die Überraschung über den unvermutet raschen Besuch des Außenministers der Vereinigten Staaten in Stuttgart ist der noch größeren Überraschung über seinen eindeutigen und zupackend formulierten Vortrag gewichen.“ Die Ausführungen von Byrnes seien von einem „ausgesprochenen Wohlwollen gegenüber Deutschland“ getragen. Wenn der Minister auch in aller Schärfe und Deutlichkeit betont habe, dass sich die Regierung der Vereinigten Staaten sowohl einer harten, als auch zu milden Behandlung Deutschlands widersetzen werde, „so unterstrich er doch mehrmals, dass dem deutschen Volk Gelegenheit gegeben werden müsse, seine großen Kräfte und Fähigkeiten anzuwenden, um eines Tages einen ehrenvollen Platz unter den Mitgliedern der Vereinten Nationen einzunehmen“. Byrnes habe bekräftigt, dass die Lebensfähigkeit Deutschlands die unschlagbare Grundlage der gegenseitigen Verständigung unter den drei großen Partnern sei. „Was aber für uns über alle Maßen bedeutsam ist, und in diesem Sinne diese Rede zu einem historischen Dokument ersten Ranges stempelt, das ist die Festlegung, dass es jetzt an der Zeit sei, Deutschland die Hauptverantwortung für die Behandlung seiner eigenen Angelegenheiten zu übertragen, und dass man dem deutschen Volk unverzüglich die wesentlichen Friedensbedingungen klar machen sollte, damit es nicht mehr in Ungewissheit über sein Schicksal zu leben gezwungen sei.“

Das Vermächtnis der Stuttgarter Rede

Die Stuttgarter Rede von James F. Byrnes vollzog nicht die Wende in der amerikanischen Nachkriegspolitik von der Bestrafung zur Kooperation, sondern machte diese Wende, die sich über Wochen hinweg angekündigt hatte, deutlich. General Clay hatte bereits Monate zuvor eine Revision der Reparationsabkommen gefordert und sich für eine engere Zusammenarbeit zwischen den westlichen Besatzungszonen ausgesprochen. Byrnes’ Rede zeigte, dass das Außenministerium in Washington für diese Vorstellungen empfänglich war. Amerika hatte erkannt, dass die bisherige Politik in eine Sackgasse geführt hatte.

Vor die Alternative gestellt, die Anti-Hitler-Koalition um jeden Preis am Leben zu erhalten oder einen politischen und wirtschaftlichen Neuanfang Deutschlands auf demokratischer Basis zu wagen, hatte sich die Regierung in Washington für Letzteres entschieden. Curt E. Hansen, der Leiter der „Archives and Liaison Section“ der amerikanischen Militärregierung in Deutschland (OMGUS), schrieb wenige Tage nach der Rede an Byrnes, dass seine Ansprache einen Wendepunkt in der Geschichte markiere, weil sie das Ende eines unmöglichen Zustands andeute. Sie mache der amerikanischen Bevölkerung die Bedeutung des Deutschlandproblems deutlich und bringe den Deutschen Hoffnung („bringing hope to the German people“), dass sich die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen im Land nachhaltig verbessern würden.

Die Hoffnungen, die Byrnes den Menschen im Westen machte, kamen jedoch um den Preis verschlechterter Ost-West-Beziehungen, unter denen besonders die Menschen in der Sowjetzone leben mussten. Byrnes’ Stuttgarter Rede steht am Beginn einer Hinwendung amerikanischer und westdeutscher Politiker zu einem separaten Weststaat. Der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer folgte Byrnes auf diesem Weg, indem er die Westintegration der Bundesrepublik als ein höheres Gut als eine sofortige Wiederherstellung der deutschen Einheit unter zweifelhaften politischen Vorgaben anstrebte. Das Vermächtnis der Rede von James F. Byrnes – die Hoffnung auf Demokratie und Wohlstand in Deutschland – erstreckt sich jedoch nicht nur bis zur Gründung der Bizone 1947, zur Berlin-Blockade 1948 oder dem Mauerbau 1961, sondern bis zur friedlichen Revolution in der DDR 1989, die Einheit in Freiheit brachte.

Überblick: Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

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